27.03.2015 - 11:46 Uhr | News | Quelle: Soccerdonna
«Heimat kann überall sein»

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Wird 2015 ein Goldenes Jahr für Celia Sasic? Mit ihrem Verein 1.FFC Frankfurt kann die 26 Jahre alte Torjägerin in den kommenden Wochen drei Titel holen. Zudem zählt sie mit der deutschen Nationalmannschaft als Mitfavorit bei der Weltmeisterschaft in Kanada. Im Interview mit Christoph Mulitze spricht die Rheinländerin über die Titelchancen, eine der bittersten Niederlagen in ihrer Karriere und Rassismus im Frauenfußball.

soccerdonna.de: Hallo Frau Sasic, Sie kommen gerade aus Bristol. Darf ich Ihnen schon zum Einzug ins Halbfinale der Champions League gratulieren?
Celia Sasic (lacht): Nein. Noch nicht.

soccerdonna.de: Sie haben mit dem FFC dort 5:0 gewonnen. Wie geht das Team, wie gehen Sie jetzt ins Rückspiel?

Celia Sasic: Normal. Das heißt, wir wollen, wie immer, ein gutes Spiel zeigen und im Rhythmus bleiben. Es soll möglichst so deutlich werden wie im Hinspiel.

soccerdonna.de: Ist es schwer, sich für ein solches Spiel zu motivieren und das Ganze nicht wie ein Freundschaftsspiel zu sehen?

Celia Sasic: Ich habe keine Probleme mit der Motivation. Dafür spiele ich zu gerne. Ich versuche immer, meine beste Leistung zu bringen. Als Stürmerin bedeutet das auch, Tore zu schießen.

soccerdonna.de: Hatten Sie denn selbst damit gerechnet, dass Bristol es Ihrer Mannschaft im Viertelfinale der Champions League so leicht machen würde?

Celia Sasic: Nein, wobei wir vorher nicht einschätzen konnten, was uns erwarten würde. Wir waren klar überlegen, das stimmt, unser Sieg war nie gefährdet. Bristol war für uns eine Wundertüte, und weil in England die Saison noch nicht begonnen hatte, gab es von dem neuen Team auch nicht viel Videomaterial.

soccerdonna.de: Dürfen wir schon über den nächsten Gegner in der CL sprechen?

Celia Sasic: Über den nächsten Gegner - vorausgesetzt, wir kommen weiter…

soccerdonna.de: … was ja nur noch eine Formsache sein müsste. Auf jeden Fall wird es nach Skandinavien gehen - Dänemark oder Schweden, Bröndby oder Linköping. Kennen Sie die Mannschaften?

Celia Sasic: Im Moment kenne ich nur die Namen, viel mehr noch nicht, weil die Mannschaften vor deren Saisonstarts in neuer Konstellation spielen. Unsere Trainer werden uns aber, sofern wir ins Halbfinale einziehen sollten, entsprechend akribisch vorbereiten.

soccerdonna.de: Sie haben zehn Jahre für den SC 07 Bad Neuenahr gespielt und den Verein erst verlassen, als er Konkurs anmelden musste. Sie hatten doch bestimmt auch schon andere Angebote von größeren, erfolgreicheren Vereinen. Trotzdem sind Sie dem Verein treu geblieben. Was war der Grund dafür?

Celia Sasic: Es gibt viele Faktoren, die mir wichtig sind, nicht nur Geld oder Renommee eines Vereins. Es muss auch im Umfeld stimmen, das ganze Drumherum muss gut sein, ich muss mich wohl fühlen. Das ist mindestens genauso wichtig, und das stimmte immer in Bad Neuenahr. Und ich hatte auch immer den Eindruck, dass ich mich weiterentwickeln und vorankommen kann. Ich bin ja auch in Bad Neuenahr Nationalspielerin geworden, und im Laufe der Zeit hat sich meine Rolle dort verändert, ich war eine wichtige Führungsspielerin, die Verantwortung übernommen hat. An dieser Aufgabe bin ich sicherlich auch gewachsen.

soccerdonna.de: Würden Sie heute noch in Bad Neuenahr spielen, wenn der Verein nicht hätte aufgeben müssen?

Celia Sasic: Das kann ich nicht sagen, das ist mir zu hypothetisch, als dass ich mich damit beschäftigen würde.

soccerdonna.de: Frankfurt liegt ja auch im Süd-Westen Deutschlands. Sind Sie sehr heimatverbunden?

Celia Sasic: Heimat kann überall sein, das mache ich nicht an einem Ort fest. Wichtig ist das Umfeld, sind die Menschen, damit ich mich wohlfühlen kann. Natürlich ist das Rheinland meine Heimat, dort bin ich aufgewachsen. Aber ich könnte mich auch woanders heimisch fühlen.

soccerdonna.de: In Bad Neuenahr dürfte niemand mehr aus Ihrer Zeit spielen. Inwiefern interessieren Sie sich noch für den SC 13 Bad Neuenahr - so heißt der ja inzwischen?

Celia Sasic: Allein der neue Name ist komisch - SC 13 Bad Neuenahr. Für mich ist das immer noch 07. Es gibt noch Menschen aus meiner Zeit im Verein und im Drumherum, die dort mitwirken und sich engagieren. So bekomme ich immer noch Informationen. Ich hänge natürlich am SC, die lange Zeit dort ist nicht spurlos an mir vorbei gegangen.

soccerdonna.de: Gucken Sie sonntags danach, wie der SC Bad Neuenahr gespielt hat?

Celia Sasic: Nein, das nicht. Bei Ergebnissen bin ich generell nicht so auf dem laufenden.

soccerdonna.de: Ihr Vater ist Kameruner, Ihre Mutter ist Französin. Sie selbst sind in Bonn geboren und aufgewachsen. Sie engagieren sich gegen Rassismus und für Integration. Haben Sie als Kind mal zu spüren bekommen, dass Sie eine dunklere Hautfarbe haben als die meisten anderen Kinder in Deutschland?

Celia Sasic: Natürlich gab es früher mal Fragen oder Kommentare, das ist bei Kindern normal. Aber ich habe nicht darunter zu leiden gehabt. Es gab nichts, was mich nachhaltig heute noch beschäftigen würde.

soccerdonna.de: Auch nicht auf dem Fußballplatz? Gibt es so etwas wie Rassismus im Frauenfußball nicht?

Celia Sasic: Ich habe das zum Glück nicht persönlich erlebt. Abgesehen davon, ist Rassismus eine grundsätzliche Einstellung. Das hat mit Männer- oder Frauenfußball nichts zu tun. Allerdings ist die Gesamtatmosphäre im Frauenfußball eine andere als im Männerfußball. Die Community ist kleiner, und die meisten Spielerinnen kennen sich schon sehr lange untereinander.

soccerdonna.de: Mit 16 Jahren haben Sie sich für die deutsche Staatsangehörigkeit entschieden. Welche Beziehung haben Sie zu den Heimatländern Ihrer Eltern?

Celia Sasic: Zu Frankreich habe ich eine tiefe Beziehung. Dort habe ich viele Verwandte, auch meine Oma. Ich bin oft in Frankreich, da fühle ich mich sehr wohl. In Kamerun war ich leider noch nicht so oft, obwohl ich auch dort liebe Verwandte habe.

soccerdonna.de: Sie sind verheiratet, haben den Sohn eines bekannten Fußballtrainers, Milan Sasic, geheiratet. Welche Rolle spielt der Fußball bei Ihnen zu Hause?

Celia Sasic: Mein Mann hat auch Fußball gespielt, zuletzt in der Verbandsliga. Der Fußball hat uns ein Leben lang begleitet und geprägt. Deshalb ist er bei uns natürlich immer ein großes Thema.

soccerdonna.de:Guckt sich Ihr Schwiegervater Spiele von Ihnen an, und gibt er auch manchmal Tipps?

Celia Sasic: Er ist manchmal im Stadion, wenn ich spiele. Früher schon in Bad Neuenahr. Natürlich reden wir auch über Fußball, er sagt, welche Eindrücke er hat. Er besitzt eine reichen Erfahrungsschatz, das ist immer sehr interessant. Für mich ist das nur von Vorteil.

soccerdonna.de: Schauen wir mal auf die Meisterschaft, die wohl so spannend ist wie nie. Wenn Sie auf das Restprogramm schauen - wer hat die besten Chancen, den Titel zu holen?

Celia Sasic: Das ist ganz schwer zu sagen. Die zurzeit beste Ausgangssituation hat wohl Bayern München.

soccerdonna.de: Alle Teams haben ein relativ einfaches Restprogramm, sie spielen gegen Mannschaften, die besiegt werden können und müssen. Nur Frankfurt und Wolfsburg treten, am letzten Spieltag, noch gegeneinander an.

Celia Sasic: Genau, das ist der Vorteil der Bayern, die einen Punkt mehr als wir und einen weniger als Wolfsburg haben. Wenn die Wolfsburgerinnen alle Spiele gewinnen, sind sie durch. Wir müssen auch jedes Spiel gewinnen, um den Titel holen zu können, und gleichzeitig auf einen Ausrutscher der Bayern hoffen. Potsdam ist mit fünf Punkten Rückstand auf den Tabellenführer vier Spieltage vor Schluss wahrscheinlich schon zu weit weg.

soccerdonna.de: Letzter Spieltag, Frankfurt gegen Wolfsburg - da war doch was…

Celia Sasic: Oh ja! In der vergangenen Saison waren wir fast schon Meister, bis das 2:1 für Wolfsburg in der vorletzten Minute fiel. Das war brutal! Wir hatten eine tolle Saison gespielt, bis zum letzten Spieltag nicht ein Spiel verloren. Das war eine einprägsame Niederlage, die ich so schnell nicht vergessen werde.

soccerdonna.de: In der Torschützenliste liegen Sie mit 19 Treffern deutlich vorne. Da sollte nichts mehr anbrennen, oder?

Celia Sasic: Ganz ehrlich, damit beschäftige ich mich nicht, das interessiert mich gar nicht. Wenn es am Ende reicht - schön. Wenn nicht, dann nicht. Ich gehe immer in jedes Spiel, um Tore zu schießen und zu gewinnen. Natürlich wird eine Stürmerin an ihren Toren gemessen, aber das ist nicht alles. Fußball ist ein Mannschaftssport. Ich würde auf die Torjägerkrone liebend gern verzichten, wenn ich dafür mit meiner Mannschaft einen Titel hole.

soccerdonna.de: Haben Sie ein Ziel vor der Saison, wie viele Tore Sie schießen wollen?

Celia Sasic: Nein, nie. Wenn ich dann mal in einem Spiel nicht treffen würde, hätte ich beim nächsten Spiel noch mehr Druck. Das würde nichts bringen, sondern mich nur hemmen.

soccerdonna.de: Im DFB-Pokal ist Frankfurt auch noch dabei, Ihr Club trifft im Halbfinale zu Hause auf Turbine Potsdam. Wie sehen Sie dort die Chancen?

Celia Sasic: Das ist ein Spitzenspiel, das eng werden wird. Gerade nach unserem hohen Sieg im Februar (Anm.: 5:1 für Frankfurt) hat Potsdam noch etwas gutzumachen. Turbine wird anders auftreten als damals und nicht noch einmal so unter die Räder kommen wollen, da bin ich mir sicher.

soccerdonna.de: Das kann in einigen Wochen ein sehr erfolgreicher Saisonabschluss für den FFC Frankfurt werden. Sogar das Triple ist möglich. Welcher der drei Titel würde Ihnen am meisten bedeuten?

Celia Sasic: Da kann ich keinen hervorheben. Ich habe beim gewonnenen Pokalfinale im vergangenen Jahr gefehlt und deshalb so richtig noch keinen der Titel gewonnen. Für mich hätte jeder die gleiche Wertigkeit.

soccerdonna.de: Um Sie noch etwas besser kennenlernen zu können, ein paar Alternativfragen: Süß oder scharf?

Celia Sasic: Beim Essen süß.

soccerdonna.de: ARD-Sportschau oder ZDF-Sportstudio?

Celia Sasic: Hmmm, Sportstudio.

soccerdonna.de: Champions League oder Deutsche Meisterschaft?

Celia Sasic: Beides!

soccerdonna.de: Mercedes oder Mini?

Celia Sasic: Mercedes.

soccerdonna.de: Facebook oder Twitter?

Celia Sasic: Weder noch.

soccerdonna.de: Afrikanische oder deutsche Küche?

Celia Sasic: Die afrikanische Küche ist unschlagbar, aber es gibt auch leckere deutsche Gerichte.

soccerdonna.de: Neu oder gebraucht?

Celia Sasic: Mal so, mal so. Kommt auf den Einzelfall an.

soccerdonna.de: Kino oder Fernsehen?

Celia Sasic: Lieber Kino.

soccerdonna.de: AC/DC oder Helene Fischer?

Celia Sasic: Irgendwas dazwischen.

soccerdonna.de: Tattoo oder Piercing?

Celia Sasic: Habe ich beides nicht. Aber wenn schon, dann eher Tattoo. Es ist aber nichts geplant.

soccerdonna.de: Lassen Sie uns noch über die Weltmeisterschaft im Sommer sprechen. Wie schätzen Sie da die Chancen der deutschen Mannschaft ein?

Celia Sasic: Eigentlich haben wir genug Qualität im Kader, um bis ganz zum Schluss dabei zu sein. Aber in einem Turnier kann vieles passieren. Wie kommt man ins Turnier rein, was passiert im Team, wenn es nicht läuft, was wird von außen ins Team reingetragen, wie kommt man mit den Erwartungen klar, wer ist fit, wer fällt aus? Und letztlich ist es auch tagesformabhängig, wie ein Spiel läuft.

soccerdonna.de: Die Gegner in der Vorrunde heißen Norwegen, Thailand und Elfenbeinküste. Norwegen kennen Sie gut. Aber wie schaut es mit den beiden anderen Gegnern aus?

Celia Sasic: Das stimmt, über die weiß ich noch nichts. Gegen Thailand habe ich mal bei der U19-WM gespielt und hoch gewonnen, wenn ich mich richtig erinnere. Aber ich vertraue da unserem Trainerteam, das die Mannschaften bis zur WM ausreichend beobachtet haben wird. Es wird uns, auch mit Videos, gut vorbereiten.

soccerdonna.de: Wer sind für Sie in dem Turnier, außer Deutschland, die Favoriten?

Celia Sasic: Frankreich, Japan, USA und Schweden. Vielleicht auch die gastgebenden Kanadierinnen, wenn es gut läuft und sie von einer Euphorie getragen werden.

soccerdonna.de: Es gab im Vorfeld große Diskussionen um den Kunstrasen in Kanada. Wie ist dazu Ihre Meinung?

Celia Sasic: Ich würde zu tausend Prozent lieber auf Naturrasen spielen, was in Kanada ja auch möglich gewesen wäre. Mir ist überhaupt nicht klar, was dieses Experiment soll und was sich die entscheidenden Leute bei der Fifa dabei gedacht haben.

soccerdonna.de: Aber haben die das nicht offiziell begründet?

Celia Sasic: Nein, das ist ja das Ärgerliche. Wenn jemand die Idee gehabt hätte, darüber anschließend breit hätte diskutieren lassen - auch mit den betroffenen Spielerinnen - und dann eine solche Entscheidung gefallen wäre, könnte man das akzeptieren. Aber das haben einfach wenige Leute ganz schnell beschlossen, Deckel drauf, ohne jede Erklärung, und das hatten wir zu schlucken.

soccerdonna.de: Wie schon erwähnt: Sie sind verheiratet, und im Gegensatz zu den Männern, die auch während der Profi-Karriere Vater werden können, ist das für Spielerinnen ein Problem. Wie sieht die Familienplanung im Hause Sasic aus?

Celia Sasic: Natürlich möchten wir gerne Kinder bekommen, aber einen konkreten Zeitplan gibt es noch nicht. Ich habe jetzt erst mal die WM im Blick.

soccerdonna.de: Und danach? Es müsste für Sie zahlreiche Angebote geben, auch aus dem Ausland. Gerade Frankreich könnte doch, nicht zuletzt wegen des familiären Hintergrunds, sehr attraktiv sein…

Celia Sasic: Diese Spekulationen kommen jedes Jahr auf. Das ist nicht ungewöhnlich. Ich konzentriere mich jetzt auf die drei Wettbewerbe, in denen wir noch den Titel holen können, und dann auf die WM. Alles andere interessiert mich im Moment nicht.

soccerdonna.de: Vielen Dank für das Gespräch, Celia, und alles Gute für die nächsten Monate.

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