23.12.2012 - 13:19 Uhr | News | Quelle: Soccerdonna | von: DerBremer
«Niemand hält sich für was Besonderes»

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Tabea Kemme ist erst 21 Jahre alt, aber sie übernimmt als Kapitänin bereits Verantwortung beim Deutschen Meister Turbine Potsdam. Im Interview mit Ricco Eickstädt (DerBremer) spricht sie über Ansporn und Motivation, was sie beim Gedanken an die Nationalelf empfindet und wie es Turbine schafft, trotz Abgängen jedes Jahr um die Meisterschaft mitzuspielen.

Soccerdonna.de: Hallo Frau Kemme, Hand aufs Herz: Wer soll in dieser Saison den VfL Wolfsburg auf dem Weg zum Titel noch stoppen?

Tabea Kemme: Die Saison ist noch lang, wir haben erst die Hälfte der Zeit gespielt. Ich denke, es kann noch sehr viel passieren. Der größte Ansporn ist es, am Ende der Saison den Deutschen Meistertitel zu gewinnen. Die Herbstmeisterschaft ist natürlich eine schöne Sache, aber bringt dir nichts, wenn du am Ende der Saison mit leeren Händen da stehst.

Soccerdonna.de: Okay, aber wer kann den Herbstmeister am Ende noch abfangen?

Tabea Kemme: Der Kampf um den Meistertitel wird 2013 wirklich sehr spannend. Frankfurt und uns sehe ich da als die größten Konkurrenten. Ich würde aber auch Bayern München mit zu den Titelanwärtern zählen, gerade weil sie jetzt zum Ende der Hinrunde richtig stark gespielt haben.

Soccerdonna.de: Wer hat Sie positiv und wer hat sie negativ überrascht in der Hinrunde?

Tabea Kemme: Bayerns Rückkehr, die war für mich eine große Überraschung. Die Münchenerinnen haben nicht nur Frankfurt, sondern im Nachholspiel auch den VfL Wolfsburg glatt besiegt. Negative Überraschungen habe ich keine, dafür beschäftige ich mich wohl zu wenig mit Zahlen und anderen Dingen.

Soccerdonna.de: Ehe wir noch mal auf die Gegenwart zu sprechen kommen, lassen Sie uns einen Blick zurückwerfen: Sieben Jahre ist es her, dass Sie mit Ihrer damaligen Schule Landessieger in Niedersachsen wurden. Erinnern Sie sich noch an den Tag?

Tabea Kemme: Oh ja. Die Erinnerungen an den Tag sind noch gut vorhanden. Der Sieg kam völlig unerwartet. Wir hatten eine funktionierende Truppe, gute Spielerinnen und ein gutes Trainerteam. Die Stimmung im Team hat gestimmt. Es war ein sehr spannendes Finale, und wir wussten, es würde nach Berlin gehen, wenn wir das Finale gewinnen.

Soccerdonna.de: Wurden Sie bei diesem Turnier von den Verantwortlichen der Turbine entdeckt, oder gab es bereits vorher ein Interesse seitens des Vereins?

Tabea Kemme: Nein, vor den Turnieren gab es noch kein Interesse, das kam erst durch das Turnier in Berlin. Dort wurde ich gesichtet. Meine Eltern haben mir dann kurze Zeit später gesagt, es habe jemand von Turbine Potsdam angerufen, dem ich beim Turnier aufgefallen war. Das hatte mich natürlich sehr gefreut.

Soccerdonna.de: Sie haben den Sprung geschafft. Wie sehen Sie denn die Chancen für die vielen jungen Nachwuchsspielerinnen aus Ihrer Heimat und aus anderen kleinen Orten Deutschlands, entdeckt zu werden?

Tabea Kemme: Ich denke, das ist schwer, da auf den Dörfern wohl nur selten Talentspäher unterwegs sind. Dafür muss man schon an größeren Turnieren teilnehmen, dort hat man die Chance, gesichtet zu werden. Doch auch trotz Talent kannst du ausgerechnet dann einen schlechten Tag erwischen. Deshalb gehört immer auch eine Portion Glück dazu, entdeckt zu werden.

Soccerdonna.de: Haben Sie noch Kontakt zu Ihren ehemaligen Weggefährtinnen wie etwa zur ehemaligen Hamburgerin Lena Petermann, die seit dem Bundesliga-Aus beim Hamburger SV anscheinend keinen neuen höherklassigen Verein gefunden hat?

Tabea Kemme: Kommt drauf an, wie man Kontakt definiert. Klar kenne ich Lena, sie stammt ja aus der gleichen Region wie ich. Wir sprechen miteinander, wenn wir uns sehen. Aber ich würde nicht sagen, dass wir in ständigem Kontakt stehen. Es ist auch nicht so leicht, von Potsdam aus regelmäßig in die Heimat zu kommen. Dafür fehlt mir leider die Zeit.

Soccerdonna.de: Sie haben zu Beginn Ihrer Karriere als Stürmerin gespielt, sind inzwischen aber in die Abwehr gerückt. Gefiel Ihnen diese Position, die Sie zuvor in der U20-Nationalmannschaft gespielt hatten, besser, oder wie kam es dazu?

Tabea Kemme: Mir ist es letztlich nicht so wichtig, wo genau ich spiele. Die Hauptsache ist, überhaupt spielen zu dürfen. Mir macht es sowohl im Sturm als auch auf der Außenverteidiger-Position Spaß. Und darum sollte es gehen. In der U20-Nationalmannschaft waren wir damals im Sturm sehr gut besetzt, und Trainerin Meinert sah mein Potenzial und wollte nicht auf mich verzichten. So testete sie mich als Außenverteidigerin. Das klappt anscheinend ganz gut, und meinen Offensivdrang kann ich dort auch ausleben.

Soccerdonna.de: Ihre Vereinskarriere verläuft bisher sehr positiv. Doch wann beginnt Ihre Karriere in der deutschen Nationalmannschaft?

Tabea Kemme: Ich bin der Meinung, ich sollte da nicht sagen, ich möchte mein erstes Spiel dann oder dann absolvieren. Damit würde ich mir selbst zu großen Druck machen. Wenn es soweit sein sollte, wäre es natürlich großartig, aber ich denke immer nur von einem Spiel zum nächsten. Wobei mir der Gedanke an die Nationalelf schon gefällt... Natürlich wäre ich bereit für mein erstes Spiel für Deutschland.

Soccerdonna.de: Zuletzt sind einige deutsche Spielerinnen ins Ausland gewechselt: Anja Mittag nach Schweden, Annike Krahn und Linda Bresonik nach Frankreich, und Nicole Rolser kickt nach der Winterpause in England. Würden Sie auch gerne mal in einer anderen Liga spielen?

Tabea Kemme: Ich fühle mich wohl in der Bundesliga, die Spielweise gefällt mir sehr. Wir haben eine starke Liga. Wenn ich später wirklich mal ins Ausland gehen sollte, dann nicht des Fußballs wegen. Da interessieren mich fremde Kulturen und neue Sprachen viel mehr. Für mich ist die Bundesliga eine ordentliche Adresse.

Soccerdonna.de: Sie spielen mittlerweile vier Jahre bei Turbine, und Ihr Trainer Bernd Schröder hat Sie vor dieser Saison zur Mannschaftskapitänin ernannt. Empfinden Sie das als große Ehre?

Tabea Kemme: Es freut mich natürlich, aber Ehre ist für mich etwas anderes. Nach der Verletzung von Jennifer Zietz sagte Herr Schröder zu mir, dass ich die Rolle übernehmen solle. Ich bin keine, die sich meldet und Ansprüche auf das Amt stellt. Das ist ja auch nicht immer das reinste Vergnügen: Es gibt gute, aber auch schlechte Momente. Als Kapitänin hast du eine große Verantwortung, und im Team gegenüber den Medien bist du die erste Ansprechpartnerin.

Soccerdonna.de: Zum Schluss noch eine Frage, die sich viele Fans jedes Jahr aufs Neue stellen: Wie schafft es Turbine Potsdam seit Jahren immer wieder, namhafte Abgänge so gut zu kompensieren?

Tabea Kemme: Wir setzen uns als Team, aber auch jede Spielerinnen selbst, Ziele, die wir erreichen wollen. Ziele, für die man kämpfen muss, sind wichtig. Die Motivation untereinander ist dabei auch wichtig, sie verbessert die Stimmung im Kader. Wir verstehen uns als eine Einheit. Alle! Niemand sieht sich hier als etwas Besonderes an. Das alles stärkt den Teamgeist. Natürlich muss ich auch den Trainer erwähnen. Bernd Schröder weiß genau weiß, wo welche Spielerin ihre Stärken hat, und entsprechend stellt er die Mannschaft auf.

Soccerdonna.de: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für das Interview genommen haben. Wir wünschen Ihnen weiterhin alles Gute.

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