21.10.2025 - 11:00 | News | Kaynak: sd | von: Emilie Bitsch
Interne Praxis beim DFB: Krankmeldung mit Konsequenzen?

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©Bayer 04 Leverkusen
Immer mehr Spiele, immer mehr Reisen, immer mehr Belastung: Die Dynamik des Frauenfußballs fordert ihren Tribut. Besonders für junge Spielerinnen, die zwischen Verein, Studium und Nationalmannschaft pendeln, steigt der Druck. Wer sich nun beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) aus gesundheitlichen Gründen von einem U23-Lehrgang abmeldet, muss offenbar mit Konsequenzen rechnen.

Nach Recherchen von Soccerdonna werden betroffene Spielerinnen beim darauffolgenden Lehrgang nicht mehr berücksichtigt. Unabhängig davon, wie berechtigt ihre Absage war. Offiziell gibt es eine solche Regelung nicht, doch mehrere voneinander unabhängige Quellen bestätigen, dass intern diese Praxis existiert.

Alle befragten Personen wollen anonym bleiben, weil sie berufliche Nachteile befürchten. Die Schilderungen decken sich jedoch in zentralen Punkten: Spielerinnen, die krankheitsbedingt oder aus Regenerationsgründen absagen, werden beim nächsten Lehrgang automatisch nicht mehr eingeladen. Betroffene berichten, dass sie telefonisch über ihre Nicht-Nominierung informiert wurden, mit dem Hinweis, „dass einem die Hände gebunden seien“, sie nominieren zu dürfen.

Auf Anfrage von Soccerdonna äußerte sich der DFB allgemein: „Naturgemäß können Spielerinnen ihre Berufungen nicht immer wahrnehmen, beispielsweise aus Verletzungsgründen. Sollten andere Gründe angeführt werden, gilt es, diese im Einzelfall zu bewerten und gegebenenfalls entsprechende Schlüsse zu ziehen. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir Inhalte von Gesprächen mit Spielerinnen und Vereinen nicht zuletzt auch im Sinne der Beteiligten grundsätzlich vertraulich behandeln.“

Eine direkte Antwort auf die Frage, ob es eine systematische Nicht-Nominierung nach Lehrgangsabsagen gibt, blieb der Verband schuldig. Die Praxis steht im Widerspruch zu den Leitlinien des DFB, der in seiner Talentförderung Fairness und Fürsorge betont. Besonders im Frauenfußball, wo viele Spielerinnen Studium, Beruf und Nationalmannschaft miteinander vereinbaren müssen, sorgt ein solches Vorgehen für Verunsicherung.

Folgen für betroffene Spielerinnen

Spielerinnen wie Vanessa Fudalla, Tomke Schneider und Sophie Zdebel, die im Mai einen Lehrgang abgesagt hatten, wurden seither nicht mehr nominiert. Fudalla selbst äußerte sich dazu nicht direkt, betonte im MagentaSport-Interview, nach der Frage über einen kommenden Einsatz beim DFB-Team, nach dem 2:0-Sieg gegen die TSG Hoffenheim jedoch, dass ihr Fokus klar auf Bayer Leverkusen liege. Sie verpasste den vergangenen Lehrgang aus privaten Gründen, unter anderem wegen ihres Umzugs. Dass Spielerinnen bereits im Vorfeld wissen, dass sie nach einer Absage vorerst nicht mehr berücksichtigt werden, deutet auf eine klare interne Kommunikation hin, allerdings ohne Transparenz nach außen.

Strukturelle Probleme in der Nachwuchsförderung

Auch abseits der U23 zeigt sich ein strukturelles Ungleichgewicht. Mehrere Personen aus dem Nachwuchsbereich berichten, dass die Kommunikationswege zwischen den Landesverbänden und dem DFB nicht immer reibungslos funktionieren. Spielerinnen aus bestimmten Verbänden würden seltener gesichtet oder eingeladen, was ihre Entwicklungschancen schmälere.

Hinzu kommt laut internen Quellen eine Lücke im internationalen Scouting. Spielerinnen, die im Ausland aktiv sind, werden kaum berücksichtigt. Ein Beispiel ist Hammarby-Torhüterin Melina Loeck: Die 25-Jährige spielte in Schweden eine starke Saison mit sechs Zu-Null-Spielen in neun Partien. Trotz dieser Leistungen und ihrer früheren U20-Erfahrung beim VfL Wolfsburg erhielt sie keine Einladung. Solche Fälle lassen vermuten, dass die Sichtung junger Talente nicht systematisch genug erfolgt.

Auch Mathilde Janzen, die im Sommer 2021 von Schweden nach Deutschland wechselte, bestätigte im Soccerdonna-Interview, dass die Sichtbarkeit im Ausland deutlich geringer sei: „Ich gehörte bereits zur deutschen U-Nationalmannschaft und wusste, dass ich in Deutschland mehr auffallen würde.“

Fragwürdige Nominierungskriterien

Immer wieder fällt auf, dass im U-Bereich häufig dieselben Spielerinnen nominiert werden. Auch dann, wenn sie im Verein kaum Spielpraxis erhalten. Ein Beispiel ist Ilayda Açikgöz von Eintracht Frankfurt. Die 21-Jährige gilt als großes Talent, kam in der Liga aber nur selten über Kurzeinsätze hinaus. Für den DFB hingegen absolvierte sie in der Saison 2023/24, vor ihrem Kreuzbandriss, neun Partien über insgesamt 599 Minuten. Mehr als ihre Meisterschaftsrunden (Bundesliga und 2. Bundesliga) zusammengenommen.

Die Auswahlkriterien wirken für viele Beobachter undurchsichtig. Leistungsdaten liegen vor, werden aber offenbar nicht konsequent herangezogen. So entsteht der Eindruck, dass persönliche Präferenzen oder interne Strukturen mitentscheiden.

Talente mit doppelter Staatsbürgerschaft

Hinzu kommt, dass in den vergangenen Jahren mehrere Spielerinnen mit doppelter Staatsbürgerschaft den DFB verlassen haben. Tanja Pawollek, in Deutschland geboren, spielt mittlerweile für Polen, obwohl sie alle U-Nationalteams bis zur U20 durchlaufen hatte. Ähnliche Optionen könnten sich auch für aktuelle U23-Spielerinnen ergeben, die eine zweite Staatsbürgerschaft besitzen, etwa Estrella Merino González (Spanien), Lisa Baum (Tansania), die Açikgöz-Zwillinge (Türkei) oder Mathilde Janzen (Schweden). Letztere ließ dabei die Tür nach Schweden offen (s. Interview sd).

Jüngstes Beispiel ist Gia Corley, die sich nach ihrer Nominierung gegen den deutschen Lehrgang entschied und stattdessen das Angebot der US-Nationalmannschaft annahm. Damit könnte der DFB eine weitere junge, torgefährliche Spielerin an ein anderes Land verlieren.

Vertrauen statt Druck?

Wenn Krankmeldungen oder Absagen künftig als Schwäche oder Illoyalität gewertet werden, stellt sich die Frage, welches Signal der DFB an seine jungen Talente sendet und ob Vertrauen noch Platz hat in einem System, das auf Druck und Leistung basiert.

Die Spielerinnen, die zwischen Liga, Studium und Nationalteam jonglieren, brauchen Transparenz, Fairness und Unterstützung. Nicht das Risiko, auf einer inoffiziellen Liste zu landen.

Hinweis: Die Redaktion hat dem DFB erneut die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben. Eine Antwort lag bis Redaktionsschluss nicht vor.

Önemli haberler

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