14.12.2025 - 13:00 | News | Kaynak: sd | von: Emilie Bitsch
Türchen Nummer 14: Dzsenifer Marozsán – Die, die Räume schuf

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©Saskia Nafe Photography
Der Ball rollt langsam auf sie zu, irgendwo im Mittelfeld. Keine Gegenspielerin sprintet hektisch heraus, kein Publikum hält den Atem an – noch nicht. Dzsenifer Marozsán nimmt den Ball mit dem ersten Kontakt an, hebt kurz den Kopf, sieht mehr als die anderen. Ein Pass, flach und präzise, öffnet den Raum, den es Sekunden zuvor scheinbar nicht gab. Es ist keine Szene, die sofort Schlagzeilen produziert. Aber es ist eine, die Spiele entscheidet. Genau darin lag über Jahre ihre größte Stärke: Marozsán war nie das Spektakel, sie war die Struktur.

Ein Talent, das zu früh erwachsen wurde

Dzsenifer Marozsán wird 1992 in Budapest geboren, wächst jedoch in Saarbrücken auf. Fußball begleitet sie von klein auf, auch, weil ihr Vater selbst Fußballer war und in der ungarischen Nationalmannschaft spielte. Schon früh spielt sie in Jungenmannschaften, weil ihr Talent nach höherem Niveau verlangt. Mit gerade einmal 15 Jahren debütiert sie für den 1. FC Saarbrücken in der Bundesliga. Sie ist damit nicht nur die jüngste Spielerin der Ligageschichte, sondern auch die jüngste Torschützin. Ein Rekord, der weniger von Sensationslust erzählt als von einer außergewöhnlichen Selbstverständlichkeit am Ball.

Während andere Talente Zeit brauchen, um sich an das Tempo zu gewöhnen, wirkt Marozsán von Beginn an angekommen. Ihre Technik ist sauber, ihr Spielverständnis außergewöhnlich. Sie sucht nicht den direkten Weg zum Tor, sondern den richtigen. Schon früh zeigt sich: Diese Spielerin denkt Fußball voraus.

Auch bereits in den U-Nationalmannschaften machte sie auf sich aufmerksam. Einen Meilenstein holte sie sich dabei: In der U17 erzielte sie in 21 Spielen 21 Tore. Sie ist somit nicht nur eine starke Mittelfeldstrategin, sondern strahlt offensiv Torgefahr aus.

Frankfurt: der Ort des Erwachsenwerdens

2009 wechselt Marozsán zum 1. FFC Frankfurt, damals eines der Zentren des europäischen Frauenfußballs. Hier wird aus dem Wunderkind eine Führungsspielerin. Frankfurt verlangt mehr: taktisch, physisch, mental. Und Marozsán wächst mit diesen Anforderungen. Sie wird zur zentralen Figur im Mittelfeld, lenkt das Spiel, verteilt Bälle, bestimmt das Tempo.

Der Höhepunkt dieser Zeit folgt 2015 mit dem Gewinn der UEFA Women’s Champions League. Im Finale gegen Paris Saint-Germain ist sie es, die mit Übersicht und Ruhe das Spiel prägt. Frankfurt gewinnt, Marozsán steht sinnbildlich für eine Generation deutscher Fußballerinnen, die Technik und Disziplin miteinander verbindet. In ihren fünf Jahren beim FFC erzielte sie in 173 Spielen 56 Tore und legte 52 vor.

Lyon: Perfektion auf höchstem Niveau

2016 folgt der Schritt zu Olympique Lyonnais. Es ist der Wechsel zu dem Klub, der den europäischen Frauenfußball in den kommenden Jahren dominieren wird. Und Marozsán wird ein zentraler Teil dieser Dominanz. In Lyon ist sie nicht die Lauteste, nicht die Auffälligste, aber oft die Wichtigste. Sie wechselte, wie sie selbst sagte, zum “weltbesten Verein mit den besten Spielerinnen der Welt” und das zeigte sich auch: Fünf Champions-League-Titel, zahlreiche Meisterschaften und Pokalsiege prägen ihre Zeit in Frankreich.

In einem Team voller Weltklassespielerinnen übernimmt Marozsán die Rolle der Architektin. Sie verbindet Defensive und Offensive, gibt dem Spiel Struktur, liest Situationen, bevor sie entstehen. Mehrfach wird sie zur besten Mittelfeldspielerin Europas gewählt. Auszeichnungen, die ihre Bedeutung unterstreichen, ohne ihr Wesen zu verändern.

Einen kurzen Ausflug machte die heute 33-Jährige gemeinsam mit ihren Mannschaftskolleginnen Sarah Bouhaddi und Eugénie Le Sommer in die USA. Bei Seattle Reign FC sollte sie per Leihe weitere Erfahrung sammeln, doch nach einem halben Jahr kehrte sie zurück.

Die Nationalmannschaft und der große Triumph

Auch im Trikot der deutschen Nationalmannschaft ist Marozsán über Jahre hinweg eine feste Größe. 13 Jahre, 112 Länderspiele, 33 Tore – Zahlen, die ihre Konstanz belegen. Bei der Europameisterschaft 2013 in Schweden trug sie wie immer einen großen Teil dazu bei. Sie erzielte im Halbfinale gegen die Gastgeberinnen sowie im Finale gegen Norwegen das wichtige Siegtor und holte sich somit den Titel. 2016 erreicht sie mit Deutschland den zweiten sportlichen Höhepunkt: Olympisches Gold in Rio.

Gerade dieses Turnier zeigt, wofür Marozsán steht. Sie ist keine Spielerin der großen Gesten, sondern der entscheidenden Momente. Ein Pass, ein Laufweg, ein Tempowechsel. Oft unscheinbar, aber spielentscheidend. In einem Team voller Charaktere bleibt sie sich treu: ruhig, konzentriert, kontrolliert.

Sie führte das DFB-Team außerdem für drei Jahre an.

Verletzungen und das Ende eines Kapitels

Doch auch ihre Karriere bleibt nicht von Rückschlägen verschont. Knieverletzungen begleiten sie in den letzten Jahren immer wieder und kosten sie Rhythmus und Leichtigkeit. 2023 zieht Marozsán einen Schlussstrich unter ihre internationale Karriere. Es ist kein lauter Abschied, kein großes Inszenieren. Es ist eine Entscheidung, die zu ihr passt: reflektiert, ehrlich, konsequent.

Sie verabschiedet sich als eine der prägendsten Mittelfeldspielerinnen ihrer Generation. Nicht nur wegen ihrer Titel, sondern wegen der Art, wie sie Fußball verstanden hat.

Heute steht Marozsán bei Al-Qadsiah, in der saudi-arabischen Liga unter Vertrag.

Ein Vermächtnis jenseits der Zahlen

Dzsenifer Marozsán hat den Frauenfußball nicht revolutioniert, indem sie laut war. Sie tat es, indem sie Maßstäbe setzte: technisch, taktisch, spielerisch. Sie zeigte, dass Kreativität und Kontrolle kein Widerspruch sind. Dass Führung auch leise funktionieren kann.

Ihr Einfluss ist besonders bei jenen sichtbar, die heute auf ihrer Position spielen. Spielerinnen, die den Raum lesen, das Spiel lenken, Verantwortung übernehmen, ohne im Mittelpunkt stehen zu müssen. Marozsán war nie die Spielerin, die Aufmerksamkeit suchte. Aber sie war immer die, die sie verdiente.

Dzsenifer Marozsán bleibt eine Fußballerin, die das Spiel verstand wie wenige andere. Eine Architektin, deren Werk nicht in einzelnen Momenten besteht, sondern in der Summe ihrer Entscheidungen. Und genau darin liegt ihre Größe.

Önemli haberler

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