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08.12.2025 - 12:35 | News | Kaynak: sd | von: Emilie Bitsch
Türchen Nummer 8: Megan Rapinoe und der Kampf um Gleichheit

©IMAGO
Ein Moment, der um die Welt ging
Lyon, Juli 2019. Das Stadion vibriert, die Kulisse ist laut, und doch herrscht für einen Augenblick absolute Stille. Megan Rapinoe steht am Elfmeterpunkt im WM-Finale gegen die Niederlande. Ein Schritt, ein Schuss – 1:0. Und dann breitet sie die Arme aus, hebt das Kinn, ein selbstbewusstes, fast herausforderndes Lächeln im Gesicht. Diese Pose geht um die Welt. Sie wird zum Symbol für ihre Karriere: sichtbar, mutig, unbequem. Eine Spielerin, die sich zeigt und Haltung einnimmt.
Rapinoe führt die USA an diesem Abend nicht nur zum Weltmeistertitel. Sie prägt ein Turnier, das Frauenfußball endgültig ins Zentrum der Öffentlichkeit rückt.
Der Weg an die Weltspitze
Geboren 1985 in Redding, Kalifornien, wächst Rapinoe in einer sportlichen Großfamilie auf. Auch ihre Zwillingsschwester Rachel spielte einige Zeit mit ihr gemeinsam, denn für die Rapinoes ist Fußball ein Zufluchtsort.
In der Jugend wird schnell klar: Diese Spielerin ist anders. Schnell, technisch stark, mutig, immer mit Blick für den entscheidenden Pass. Am College in Portland reift sie zu einer der besten Offensivspielerinnen der USA.
Die heute 40-Jährige spielte neun Jahre für Seattle Reign FC und war durch ihre kreativen Ideen und schönen Tore dort bekannt. Mit 131 Spielen, 54 Toren und 25 Vorlagen erhielt sie den Klub-Ikonen-Status. Insgesamt dreimal holte sich die Mittelfeldspielerin die NWSL-Meisterschaft in der regulären Saison.
Einen kurzen Trip für knapp ein Jahr macht Rapinoe nach Olympique Lyonnais. Nach dem Liga-Abbruch der WSP erhielt sie in Frankreich einen Halbjahresvertrag und holte in der Zeit die französische Meisterschaft und den Pokal. Im Champions-League-Finale 2013 gegen den VfL Wolfsburg musste sie eine knappe 0:1-Niederlage hinnehmen.
Für die USA debütierte Rapinoe mit 21 Jahren gegen Irland 2006 und stand seitdem 203 Mal auf dem Platz. In 17 Jahren konnte sie etliche Erfolge feiern: zweifache Weltmeisterin, Olympiasiegerin, Vizeweltmeisterin und Olympia-Bronze.
Beim legendären Viertelfinale der WM 2011 in Deutschland schlägt sie jene Flanke auf Abby Wambach in der 122. Minute. Ein Assist, der als „Cross of the Century“ in die Fußballgeschichte eingeht.
Rapinoe ist der Typ Spielerin, die den Unterschied macht: mit ihrer Präsenz, ihren Standards, ihrem Dribbling und einer Spielintelligenz, die Spiele öffnet. 2019 krönt sie ihre Karriere mit dem Goldenen Ball, dem Goldenen Schuh und dem Weltfußballerinnen-Titel.
Die politische Stimme, die nicht schweigt
Während viele Sportlerinnen ihre Karriere strikt von Politik trennen, tut Rapinoe das Gegenteil. Sie sieht den Sport als Bühne, auf der soziale Anliegen sichtbar werden können. Und sie nutzt sie: früher, lauter und radikaler als andere.
Knie gegen Rassismus
2016 kniet Rapinoe während der US-Hymne, als erste weiße Sportlerin, aus Solidarität mit Colin Kaepernick, der mit dieser Aktion gegen den Rassismus im Land kämpft. Ein stiller Protest gegen Polizeigewalt, der landesweite Debatten auslöst. Neben dem Kniefall singt sie außerdem nicht bei der Nationalhymne mit.
Der Verband verurteilt sie, Fans beschimpfen sie, Politiker greifen sie an. Doch Rapinoe macht weiter. Für sie ist es eine Frage menschlicher Verantwortung: „Wenn jemand leidet, musst du hinsehen.“
Der Kampf um Equal Pay
Rapinoe wird zur zentralen Figur im Kampf um gleiche Bezahlung im US-Fußball. 2019 reicht das Team Klage ein, denn während die Frauenfußballerinnen deutlich erfolgreicher als ihr männliches Pendant sind, erhalten sie deutlich weniger Prämien. Rapinoe wird das Gesicht dieser Bewegung. Sie spricht vor dem Kongress, führt Verhandlungen und hält Reden, die viral gehen. Außerdem traf sie sich mit dem damaligen US-Präsidenten Joe Biden, um über diese Debatte zu sprechen.
2022 stimmen der Verband und das Team einem historischen Abkommen zu: gleiche Prämien, gleiche Einnahmen, gleiche Rahmenbedingungen. Ein Erfolg, der weltweit als Meilenstein gilt und anderen Nationalteams als Vorlage dient.
LGBTQ+-Rechte und Sichtbarkeit
Seit 2012 lebt Rapinoe ihre Sexualität offen. Eine Entscheidung, die damals im Spitzensport alles andere als selbstverständlich war. Sie kämpft gegen Homophobie, für Gleichstellung und für junge Menschen, die im Sport oft keinen Platz für ihre Identität finden. Gemeinsam mit Basketball-Legende Sue Bird, ihrer Partnerin, wird sie zu einem der sichtbarsten queeren Paare im US-Sport. Ein Zeichen für ein neues Selbstverständnis im Profisport.
Rapinoe setzt sich zudem gegen Waffengewalt, Sexismus und soziale Ungleichheit ein. Manchmal eckt sie an, manchmal polarisiert sie, doch leise war sie nie.
Sportliche Konstanz und Führung auf dem Platz
Auch wenn Rapinoes politische Arbeit viel Aufmerksamkeit bekommt, gerät oft in den Hintergrund, was sie sportlich geleistet hat. Über 200 Länderspiele, zwei Weltmeisterschaften, einen Olympiasieg, unzählige NWSL-Tore für Seattle Reign: Rapinoe war über viele Jahre eine der prägendsten Flügelspielerinnen des Weltfußballs.
Ihr Spiel war eine Mischung aus Eleganz und Cleverness: präzise Flanken aus dem Halbfeld, ruhiger Spielaufbau, gefährliche Standards und eine mentale Stärke, die ihr Team durch Drucksituationen führte. Gerade in entscheidenden Momenten war Rapinoe eine Spielerin, die Verantwortung übernahm und dabei nie den Blick für die anderen verlor.
Der Abschied und das Vermächtnis
2023 verabschiedet sich Megan Rapinoe vom Profifußball. Es ist ein Abschied voller Emotionen: Tränen, Applaus, Dankbarkeit. Bei ihrem vermeintlichen Abschiedsspiel im Play-off-Finale verletzte sie sich nach drei Minuten schwer und musste unter Tränen ausgewechselt werden. Einen Abschied, den sie sich nicht so vorgestellt hatte.
Rapinoe hinterlässt ein Vermächtnis, das weit über den Sport hinausgeht. Die Flügelspieler hat gezeigt, dass eine Spielerin nicht nur Siegerin sein kann, sondern auch Aktivistin, Vorbild und Stimme einer Bewegung. Sie hat Veränderungen angestoßen, die auch nach ihrem Karriereende spürbar bleiben werden.
Rapinoe ist nicht nur eine außergewöhnliche Athletin. Sie ist eine Frau, die gelernt hat, ihre Plattform zu nutzen – für diejenigen, die weniger gehört werden. Und das Bild aus Lyon bleibt: Arme weit ausgebreitet, als würde sie sagen: „Hier bin ich und ich werde mich immer einmischen.“
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