11.07.2011 - 11:15 Uhr | News | Quelle: dpa
Jubeln fast wie die Männer: Frauen immer kreativer

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Jetzt jubeln sie auch schon fast wie die Männer. US-Stürmerin Abby Wambach rutschte nach dem späten 2:2 im Viertelfinale gegen Brasilien auf den Knien Richtung Fans, um sich ihren Beifall abzuholen. Teamkollegin Megan Rapinoe hatte sich nach ihrem Tor im Vorrundenspiel gegen Kolumbien sogar ein Stadionmikrofon geschnappt und zur Freude ihrer Landsleute den Bruce-Springsteen-Klassiker «Born in the USA» geschmettert.

Die Fußball-Frauen lernen bei dieser Weltmeisterschaft den publikumswirksamen Torjubel. Konnten die Fans bislang eher kleine Freudenhüpfer oder ein freundschaftliches Abklatschen beobachten, inszenieren nun immer mehr Teams ihren Torerfolg. Die Amerikanerinnen verteilen auch gerne mal Küsse und salutieren vor dem Publikum. Die Schwedinnen führen nach jedem Treffer gemeinsam Rasen-Tänze auf. Und die Brasilianerinnen rannten bis zu ihrem WM-Aus zur nächsten Kamera, um der ganzen Welt ihre Gefühle zu zeigen.

Bislang galten eher die Männer als die großen Schauspieler auf dem Fußballplatz. Ihr Torjubel war laut einer Untersuchung der Technischen Universität München mit einer Minute etwa doppelt so lang wie bei Frauen. «Bei der Frauen-WM geht der Trend aber hin zu den Männern», hat Sportwissenschaftler Malte Siegle analysiert. Statt wie bisher 33 Sekunden seien die WM-Gruppenspiele nach einem Tor durchschnittlich 40 Sekunden unterbrochen gewesen.

Für die Forscher ist die höhere mediale Aufmerksamkeit bei Männerspielen der Grund für die längeren Pausen. Nun, da auch der Frauenfußball viele Zuschauern findet und im Rampenlicht steht, lohnt es sich für die Damen, bildträchtig zu feiern. «Die längsten Torjubel zeigten bisher die Spielerinnen aus Mexiko, Brasilien, Schweden und den USA, in deren Ländern eine WM-Euphorie herrscht», sagte Siegle.

Den elegantesten WM-Freudenausbruch inszenierte bisher die Brasilianerin Cristiane (Foto), einst beim deutschen Meister Turbine Potsdam aktiv. Sie feierte ihr erstes Tor gegen Äquatorialguinea mit einer Turneinlage: Radwende und Rückwärtssalto. Vielleicht bekommen bei dieser WM auch noch Klose-Salto, Stefan-Kuntz-Säge, Klinsmanns «Taucher» oder der Luca-Toni-Ohrenschrauber weibliche Pendants.

Bereits ins kollektive deutsche Fußball-Gedächtnis geschafft hat es Simone Laudehr, wie sie nach dem 2:0 der DFB-Frauen im WM-Finale 2007 gegen Brasilien das Trikot bis zum Hals hochgezogen und ihren Waschbrettbauch freigelegt hatte. Nach dem bitteren Viertelfinal-K.o. im eigenen Land sahen die Fans wieder Laudehrs Bauch. Diesmal aber trocknete sie mit ihrem Trikot ihre Tränen.

Die Sozial- und Sportpsychologin Jeannine Ohlert von der Deutschen Sporthochschule Köln bezweifelt allerdings, dass Frauen in Zukunft genauso wie ihre männlichen Kollegen jubeln werden. «Es steckt in den Männern eher drin, Selbstdarsteller zu sein - ob nun genetisch oder durch Erziehung bedingt.» Für Frauen sei es viel wichtiger, ein Teil einer Gruppe zu sein, deswegen würden sie ihre Torerfolge auch gerne gemeinsam feiern.

Die zusätzlichen Jubel-Sekunden bei dieser WM erklärt Ohlert mit den gestiegenen Erwartungen: «Der Druck bei den Spielen ist sehr hoch und der muss nach einem erlösenden Tor raus.» Hinzu kommt, dass bei dieser WM viel weniger Tore als bei den vorherigen Meisterschafen fallen. In der Vorrunde wurden in 24 Spielen 60 Treffer erzielt - im Schnitt nur 2,5. «Beim Basketball oder Handball ist das einzelne Tor nicht so wichtig», sagte Ohlert. «Hier aber ist es oft entscheidend über Sieg oder Niederlage. Und wird entsprechend gefeiert.»