27.06.2025 - 14:00 | News | Source: sd | von: Emilie Bitsch
Zwischen zwei Heimaten – Mathilde Janzen über Identität, Mut und den Spaß am Spiel

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©Kristianstads DFF

Mit gerade einmal 16 Jahren wagte Mittelfeldspielerin Mathilde Janzen den Sprung aus ihrer schwedischen Heimat nach Deutschland, um bei der TSG Hoffenheim den Traum von einer Profikarriere im Fußball zu verfolgen. Heute, nur wenige Jahre später, blickt die doppelte Staatsbürgerin mit bemerkenswerter Offenheit auf prägende Stationen zurück: auf herausfordernde Monate bei Werder Bremen, auf das Gefühl, sich verstellen zu müssen, und auf das Vertrauen, das sie sich im schwedischen Verein Kristianstads DFF zurückgeholt hat. Im Gespräch mit Soccerdonna spricht die 20-jähirge deutsche U-Nationalspielerin über ihre persönlichen Erfahrungen, den Umgang mit jungen Talenten, ihren Wunsch, bei der WM 2027 dabei zu sein – und warum sie sich noch nicht endgültig zwischen Deutschland und Schweden entschieden hat.


Soccerdonna: Mathilde, Deine Karriere begann in Schweden. Du hast Dich dazu entschieden den nächsten Schritt zu gehen und bist zur TSG Hoffenheim gewechselt. Wie war es für Dich diesen Schritt zu gehen und wie kam es zu dieser Entscheidung?


Mathilde Janzen: Es war eine schwere Entscheidung, da ich damals 16 Jahre alt war und meine Familie und das Land verlassen musste. Ich gehörte bereits zur deutschen U-Nationalmannschaft und wusste, dass ich in Deutschland mehr auffallen würde. Hoffenheim hatte Interesse an mir. Es war schwierig für mich, weil ich meine schwedische Mannschaft mochte. Die TSG hatte mir Individualtraining angeboten und gezeigt, wie ich mich bei ihnen weiterentwickeln kann. Das Gesamtpaket hat gepasst, deswegen bin ich den Schritt ins Ausland gegangen. Auch wenn es mir schwerfiel, damit meine Freunde und Familie zu verlassen.


Soccerdonna: Was hast Du Dir in dieser Zeit bei Hoffenheim erhofft? Auch in Bezug auf deine spielerische und persönliche Entwicklung?


Mathilde Janzen: Die ersten zwei, drei Monaten waren schwierig. Ich bin zwar in Hamburg geboren und kenne Deutschland, aber es ist was anderes dort zu wohnen. Erstmal hineinzufinden in eine andere Kultur und auch andere Mentalität. Vor allem, wie man mit Disziplin umgeht, das war alles anders in Schweden. Ich habe mich aber schnell eingelebt, habe viele Freunde kennengelernt, die das dann für mich einfacher gemacht haben und kam gut in die Mannschaft rein. Es gab Tage, wo es hart war, wo ich zurück nach Hause wollte. Da hat man vieles gelernt, worüber ich froh bin, dass ich alles schon erlebt habe. Von sowas wird man stärker und schneller erwachsener.


Soccerdonna: In deiner Anfangszeit in Hoffenheim spieltest Du bei der U20. Gab es Gespräche, dass Du den nächsten Schritt in Richtung ersten Mannschaft machst?


Mathilde Janzen: Mein Ziel war es, so schnell wie möglich in die erste Mannschaft zu kommen. Das erste Jahr habe ich komplett bei der U20 trainiert und gespielt, was gut war, da das Niveau hoch war. Wir hatten jedes Wochenende gespielt, das war gut für mich, um Spielerfahrung zu sammeln. Im zweiten Jahr habe ich öfters in der ersten Mannschaft mittrainiert und war im Trainingslager. Ein halbes Jahr, vor meinem Wechsel zu SV Werder Bremen, gehörte ich fest zur Ersten, war aber ohne Einsatz dort. Ich hatte mir damals erhofft schneller in die erste Mannschaft zu kommen, aber die Zeit bei der U20 war dennoch gut.


Soccerdonna: Du hast bereits angesetzt, dass Du nach deiner Zeit bei der TSG zum SVW gewechselt bist. Dort hattest Du keine einfache Zeit. Im Interview mit der „DeichStube“ sagtest Du, dass Du trotz Handbruch immer mit trainiert, aber nicht die Möglichkeit bekommen hast, Dich zu beweisen, außer die 15 Minuten beim Spiel gegen Eintracht Frankfurt. Magst Du Uns mehr über die Geschehnisse erzählen ab dem Beginn deines Wechsels zu Bremen?


Mathilde Janzen: Ich wollte Hoffenheim verlassen, da ich das Gefühl hatte, auf der Stelle zu treten. Ich hatte einige Gespräche, unter anderem mit Bremen, die mir zeigten, was aus mir noch werden kann. In Bremen wollte ich erleben, wie es ist, in einer größeren Stadt zu leben. Das Angebot von Bremen hat sich super angehört, sie wollten mich und haben mir gezeigt, welche Potenziale ich habe. Mir wurde mehr Spielzeit zugesichert. Es hat mich überzeugt, außerdem wollte ich in Deutschland bleiben. Vor Ort wurde mir schnell bewusst, dass meine Spielweise nicht in das Konzept von Trainer Thomas Horsch passte. Ich habe versucht mich anzupassen und ich merkte, dass ich keine richtige Chance bekommen werde. Somit wurde ich schnell zur zweiten Mannschaft in die Regionalliga Nord geschickt und bekam das Gefühl nicht los, dass ich auch dort keine Chance für die ersten Mannschaft bekommen würde. In der ersten Mannschaft durfte ich gegen Eintracht Frankfurt mein Debüt in der Bundesliga geben, aber das waren nur 15 Minuten, nicht mehr. Ich mochte die Mannschaft und vor allem die Fans, aber ich fand, dass ich als Mensch nicht reingepasst habe. Ich war nicht ich selbst und empfand, dass ich mich verstellen musste. Sei es vom menschlichen her oder von der Spielphilosophie. Ich lache viel, ich mag es zu tanzen und ich bin locker. Deswegen wollte ich wieder zu einem Verein, bei dem ich, ich selbst sein kann und auch meine fußballerischen Stärken und auch meine Persönlichkeit mehr zu tragen kommen.


Soccerdonna: Es gibt viele junge Spielerinnen, die das durchleben müssen, die aber dennoch es bei dem Verein weiterversuchen. Du hast für Dich selbst nach einem halben Jahr entschieden, dass Du das nicht weiter machen möchtest. Was war dein größter Faktor für diese Entscheidung?


Mathilde Janzen: Das Vertrauen war nicht da. Die versprochene Spielzeit bekam ich nicht und dadurch habe ich den Spaß daran verloren. In den weiteren Gesprächen mit den Verantwortlichen wurde mir klar kommuniziert, dass ich auch in der nächsten Saison nicht mehr Spielzeit bekommen würde, als jetzt. Mir wurde dadurch klar, dass ich in Bremen nicht bleiben kann, da mein Ziel war, viel zu spielen. Wenn mir bereits vorher schon gesagt wird, dass ich wenig spielen werde, warum sollte ich dann noch bleiben? Für meine eigene Entwicklung wäre das keine gute Entscheidung gewesen. Zumal bei der U-Nationalmannschaft die U20-WM vor der Tür stand.


Soccerdonna: Wie siehst Du den derzeitigen Umgang mit jungen Talenten? Du bist das perfekte Beispiel dafür, wie schwierig es sein kann. Siehst Du mittlerweile Unterschiede und welche Tipps kannst Du geben?


Mathilde Janzen: Den Talenten und jungen Spielerinnen sollte Vertrauen geschenkt werden. Das Wichtigste für einen selbst ist, Vertrauen zu spüren. In der Nationalmannschaft habe ich sehr viel Rückhalt bekommen von Trainer:innen und das macht sehr viel mit einem. Die größte Entwicklung hat man, wenn man spielt. Nicht nur in Deutschland, aber auch in Schweden ist es leider so, dass junge Spielerinnen viel auf der Bank sitzen. Ich hoffe, dass sich das anders entwickelt und Trainerteams mehr Mut dafür haben, jüngere Spielerinnen mehr Einsatzzeiten zu geben.


Soccerdonna: Gerade in jungen Jahren ist es wichtig, zu spielen und sich weiterzuentwickeln. Nun bist Du bereits seit vergangenem Sommer wieder zurück bei deinem Heimatverein Kristianstads DFF. Wie fühlst Du Dich jetzt?


Mathilde Janzen: Es ist derzeit schön wieder in Schweden zu sein und alte Freunde wieder zu treffen. Ich fühle mich richtig wohl in der Mannschaft und es macht mir wieder Spaß. Spielzeit bekomme ich und es läuft alles sehr gut. Die Zeit in Deutschland war aber trotzdem sehr schön und hat mich absolut weitergebracht.


Soccerdonna: Merkst Du einen Unterschied zwischen Bundesliga und schwedischen Liga Damallsvenskan im mentalen Bereich aber auch von der Trainingsweise?


Mathilde Janzen: In Schweden ist alles etwas lockerer, in Deutschland wird mehr auf Disziplin Wert gelegt. Am Ende des Tages finde ich braucht es beides. Ich selbst bin ein lockerer Typ, aber manchmal ist es in Schweden wiederrum fast zu locker.


Soccerdonna: Auch vom spielerischen her, merkst Du einen Leistungsunterschied oder ist es ausgeglichen?


Mathilde Janzen: In der Zeit in Deutschland saß ich größtenteils auf der Bank, aber ich würde sagen, dass es ein relativ ähnliches Niveau ist. Natürlich gibt es in der Bundesliga bessere Top-Spielerinnen und Top-Vereine. Das Fußballerische ist aber ähnlich. Beide Länder haben gute Taktiken und die Spielerinnen sind von der Körperlichkeit sehr gut. Es ist aber schwer zu vergleichen.


Soccerdonna: Welche Entwicklungen, sportlich und menschlich, siehst Du bei Dir selbst?


Mathilde Janzen: Die Erfahrungen in Hoffenheim und Bremen haben mich stärker gemacht. Außerdem fühle ich mich gerade in Schweden mental und körperlich sehr stark, da ich viele Spielminuten sammeln konnte, dadurch wird man selbstbewusster. Ich habe gelernt, dass das Leben weitergeht, wenn es mal nicht läuft und neue Spiele und Chancen bekommen werde. Man muss immer weitermachen, ich muss mir selbst treu bleiben und mich nicht verstellen. Dann spiele ich am besten, wenn ich das machen darf, was ich selbst mag.


Soccerdonna: Anschließend dazu, was ist dein prägendster Moment in deiner Karriere bislang gewesen?


Mathilde Janzen: Ich würde sagen, der Gewinn der U17-Europameisterschaft im Jahr 2022. Das hat mir gezeigt, dass alle harten Entscheidungen und Trainings sich gelohnt haben. So einen Titel oder die Berufung zur Nationalmannschaft ist immer eine Ehre.


Soccerdonna: Du besitzt die doppelte Staatsbürgerschaft. Bislang hast Du Dich immer für die DFB-Auswahl entschieden. Wieso?


Mathilde Janzen: Bei meinem ersten Lehrgang für Deutschland war ich erst dreizehn Jahre alt. Damals hatte sich Schweden nicht gemeldet, da hier die Sichtungen später beginnen. Nach einem Jahr kam Schweden auf mich zu. Zu diesem Zeitpunkt habe ich mich aber für Deutschland entschieden, da ich mich sehr wohl gefühlt habe. Ich durfte an vielen Lehrgängen teilnehmen und ich mochte die Arbeitsweise vor Spielen und auch die verschiedenen Möglichkeiten, die einem zur Verfügung stehen. Dennoch habe ich die Tür für Schweden noch nicht geschlossen. Ich wollte erstmal alle U-Nationalmannschaften durchlaufen und wenn es irgendwann die Möglichkeit gibt, für ein A-Team aufzulaufen, werde ich mich entscheiden. Es ist eine schöne Möglichkeit, dass ich für beide Nationen spielen kann. Derzeit fühle ich mich wohl in Deutschland und bin sehr stolz, den Adler auf der Brust zu tragen. Auch, dass ich schon so viele Spiele (55) für Deutschland machen durfte, macht mich stolz.


Soccerdonna: Für Dich ist die Tür noch nicht geschlossen, dennoch, wenn Du Dich heute entscheiden müsstest: Deutschland oder Schweden?


Mathilde Janzen: Ich bin in Schweden aufgewachsen und mein Herz schlägt genauso stark für Schweden, wie für Deutschland. Für Deutschland habe ich schon so viele Spiele gemacht, deswegen finde ich das eine schwere Frage. Beide Nationen sind toll und ich kann gar nicht sagen, für wen ich mich entscheiden würde. Ich muss einfach gucken, wie sich alles entwickelt. Dennoch wäre ich stolz, wenn ich für Deutschland oder für Schweden spielen dürfte.


Soccerdonna: Du bist derzeit mit der U23 unterwegs. Wie sieht gerade deine Zeit gemeinsam mit dem Team aus?*


Mathilde Janzen: Die Zeit ist sehr schön mit dem Team. Seitdem ich wieder in Schweden spiele, sehe ich meine Mitspielerinnen nicht so oft, da wir damals jede Woche in der Bundesliga gegeneinander gespielt haben. Deswegen macht es mir umso mehr Spaß, mit ihnen Fußball zu spielen. Es ist ein besonderes Gefühl, wenn man bei der Nationalmannschaft dabei sein darf. Die Vorfreude vor den beiden Spielen gegen USA ist groß.


Soccerdonna: Was nimmst Du aus diesem Lehrgang mit für Dich?


Mathilde Janzen: Hier ist es so, dass ich zum jüngeren Jahrgang gehöre. Deswegen sind Spielerinnen dabei, die mehr Erfahrung haben und man kann gegenseitig voneinander lernen. Ich versuche immer alles mitzunehmen, Spaß zu haben und meine beste Leistung zu bringen. Dann ist es erst recht schön, wenn man gemeinsam Spiele gewinnt, das macht viel aus.


Soccerdonna: Wie sehen deine nächsten Ziele aus?


Mathilde Janzen: Ich möchte in Schweden viel Spielzeit sammeln, gute Leistungen bringen und mich persönlich weiterentwickeln. Auf lange Sicht will ich viel erreichen: Ich will bei der Nationalmannschaft weiter dabei sein und auch für die A-Nationalmannschaft nominiert werden. Mein großes Ziel ist es bei der Weltmeisterschaft 2027 in Brasilien dabei zu sein. Bis dahin muss ich gucken, für wen ich spiele (lacht). In Schweden möchten wir die beste Platzierung erreichen und auf einen Champions League Platz kommen. Es sind nur noch drei Spiele in der Hinrunde.* Ich glaube, wir können mit der Mannschaft in dieser Saison wirklich was holen.


Soccerdonna: In welchen Bereichen möchtest Du Dich weiter verbessern?


Mathilde Janzen: Ich trainiere im Individualtraining derzeit meine Abschlüsse. Wenn ich mal von außen aufs Tor zulaufe und ich eine Schusssituation bekomme, dass ich da mutiger bin zu schießen. In allen Bereichen kann ich mich verbessern, wie die Präsenz auf dem Platz. Noch lauter zu werden und mehr die Leaderin auf dem Platz sein. Im persönlichen Bereich – eine gute Mentalität habe ich bereits, aber bessere geht immer.


Soccerdonna: Nur noch einige Wochen sind es bis zur Europameisterschaft in der Schweiz. Freust Du Dich darauf?


Mathilde Janzen: Ich freue mich darauf und ich werde die Spiele verfolgen. Ich freue mich immer, solche Turniere anzugucken. Aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich, wenn man Turniere spielt, ist es das Beste, was es gibt.


Soccerdonna: Und wer denkst Du, wird die EM gewinnen?


Mathilde Janzen: Das wird eine Nation sein, mit der man nicht rechnet. Wir werden einen Überraschungssieger haben. Vorne mitspielen werden bestimmt Deutschland, Schweden, aber auch England. Mein Bauchgefühl sagt aber, dass wir alle damit nicht rechnen werden, wer sich dieses Jahr den Pokal holt.


*Interview wurde vor den U23-Länderspielen gegen die USA Ende Mai aufgenommen.



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