10.08.2023 - 21:18 Uhr | News | Quelle: soccerdonna | von: Dr. Frederik Petersohn
Harsch: «Hätten richtig Bock auf die Champions League!»

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©IMAGO
Saisonziele differieren: In objektiver Hinsicht geben Vereinsregie und Trainer:innenteams Schlagworte mit dem Ziel vor, Spielerinnen nicht in die Bredouille zu bringen. «Möglichst schnell nichts mit dem Abstieg zu tun haben», «nach Saisonende 30 Punkte vorweisen können», «sich in der kommenden Saison für den internationalen Wettkampf direkt qualifizieren», oder «die positive Entwicklung des Teams fortsetzen»: Das sind bekannte Formulierungen, alles offizielle Statements, «um die Spielerinnen nicht zu sehr unter Druck zu setzen», wie in diesen Fällen immer nachgeschoben wird.

Bekanntlich wird niemand erschlagen, wenn Saisonziele in Gefahr geraten, indes sind Trainer:innen stets austauschbar. Insbesondere dann, wenn die Zustände Ist und Soll gravierend abweichen. Und in dieser Situation befand sich mutmaßlich die Vereinsregie der TSG Hoffenheim im Dezember 2022, als Gabor Gallai beurlaubt worden ist, oder hat werden müssen. Aus Sicht der Regie. In ein tiefes Loch sind die Kraichgauerinnen indes mitnichten gefallen: Nadine Rolser hat als Interimscoach die Truppe erfolgreich durch die Vorbereitung auf die Rückrunde geführt und Stephan Lerch hat im März 2023 als Cheftrainer übernommen.

Lohn für den vierten Saison-Abschlusstabellenplatz 2022/23 war die Holzmedaille, Platz drei haben sich die Frankfurter Adlerträgerinnen holen können, mit einer im Vergleich zur TSG konstanten Saisonleistung über 22 Spieltage.

Es ist kein Geheimnis: Die TSG hat über 2 Jahre einen massiven, personellen Aderlass hinnehmen müssen. Indes, und darauf kann die Club-Regie stolz sein, ohne einzubrechen und in einen permanenten Klagegesang zu verfallen. Und nach Ablauf der vergangenen Saison ist der TSG nun auch der Bundesliga beste linke Außenverteidigerin abhandengekommen und zum FC Bayern gewechselt. Katharina Naschenweng macht niemand einen Vorwurf, denn die Kärntnerin hat sich für höchste Aufgaben empfohlen und ist mit ihrem Wechsel befördert worden. Und Chantal Hagel ist, nach Tabea Sellner, Lena Lattwein und Jule Brand, nun als vierte Nationalspielerin zum VfL Wolfsburg gewechselt. Ob diese Wechsel in jedem Fall eine persönliche Verbesserung, außer einer finanziellen, nach sich gezogen haben, mag indes dahingestellt sein. Zuvor sind bereits Maximiliane Rall, 2021 zum FC Bayern gewechselt und Laura Wienroither hat es im Dezember 2021 zum FC Arsenal gezogen. Zu keiner Zeit war in Hoffenheim ein Lamentieren über diese Situation zu vernehmen, denn schließlich stand am Saisonende 2021/2022 Tabellenplatz drei, die Qualifikation für die Champions League Qualifikationsrunde und schließlich die Teilnahme an der Gruppenphase. Die Finalrunden verpassten die Kraichgauerinnen nur knapp. Bereits im März 2023, unmittelbar vor Tätigkeitsbeginn als Cheftrainer, hatte Stephan Lerch, während einer Medienkonferenz betont: «Wir haben, was das Halten von Spielerinnen angeht, sicherlich noch Verbesserungspotenzial. Daran wollen wir arbeiten» und nahm sich als neuer Sportlicher Leiter damit selbst in die Pflicht.

Ein höchst bemerkenswertes Faktum: Die TSG-Regie hat für die kommende Saison bisher kein offizielles Statement hinsichtlich des objektiven Saisonziels verlauten lassen. Dessen eingedenk, sind bekanntlich die subjektiven Saisonziele das Salz in der Suppe. Dann, wenn Spielerinnen nach Zielen befragt werden, ohne dass Offizielles vorläge. Befragt danach, ordnen sich Kapitänin Fabienne Dongus und TSG-Mittelfeld-Urgestein Franziska Harsch nur kurz, und Harsch entfährt es wie aus der Pistole geschossen: «Es kann nur ein Ziel geben, der dritte Platz. Wir hätten richtig Bock, nochmal Champions League zu spielen.» Und Dongus ergänzt sofort: «Das ist auch mein Ziel. Wir haben einen breiteren Kader als in der vergangenen Saison und das wird auch den Konkurrenzkampf nochmal anheizen. Eine Voraussetzung, dieses Ziel zu erreichen, ist aber auch eine konstantere Spielweise.» Mit dieser «frohen Botschaft» konfrontiert, zeigt sich Cheftrainer Lerch im Gespräch mit soccerdonna «erfreut, dass sich die Spielerinnen hohe Ziele setzen», mag aber in das hohe Lied auf die Champions League nicht einstimmen, vielleicht noch nicht. «Wir gehen in jedes Spiel mit dem Ziel, zu gewinnen. Aber vielmehr steht für uns die Weiterentwicklung in allen Bereichen im Vordergrund. Wir wollen dabei nicht nur auf die nächste Saison, sondern auch auf die darauffolgenden Jahre blicken,» sagt Lerch soccerdonna. «Für die kommende Saison haben wir die Defensive verstärkt, im nächsten Sommer steht dann wahrscheinlich eher die Offensive im Fokus.«

In der angelaufenen Vorbereitungszeit stehen als Abwehrspielerinnen Lerch weiter Michaela Specht, Sarai Linder und Lisann Kaut zur Verfügung. Neu im Team sind die beiden Innenverteidigerinnen Lisa Doorn (AFC Ajax Amsterdam) und Marta Cazalla (Grasshopper Club Zürich) sowie Leonie Maier (FC Everton) als Rechtsverteidigerin. Ausgeliehen für eine Spielzeit ist die auf den Außenbahnen variabel einsetzbare Chiara D`Angelo vom SKN St. Pölten. Sicherlich genügend Personal, um einerseits einen Konkurrenzkampf auf den Abwehrpositionen zu entfachen und andererseits, verletzungsbedingte Ausfälle kompensieren zu können. Ob es nach Saisonende für die Champions-League-Qualifikationsrunde reicht, werde zwar über Punkte «aber eben auch über mehr erzielte Tore entschieden» sagt Lerch, fast prophezeiend, dass es bei der TSG daran hapern könnte.

Grund genug für Stürmerin Nicole Billa, ihr ganz persönliches Saisonziel zu formulieren. Deutschlands sowie Österreichs Fußballerin des Jahres 2021 hat mit 23 Toren in 21 Spielen einen wesentlichen Anteil am Einzug der Kraichgauerinnen in die Champions-League-Qualifikationsrunde gehabt, konnte indes in der abgelaufenen Spielzeit nicht an diese Leistungen anknüpfen. «Mein Ziel ist es, gesund und fit durch die Saison zu kommen, um wieder konstantere Leistungen bringen zu können. Ich hoffe, dass mein Körper im nächsten Jahr mitspielt. Wieso das in der Vergangenheit nicht immer der Fall war, ist ein komplexes Thema,» sagt die Tirolerin soccerdonna.

An Billas Form arbeiten, und die individuelle Entwicklung des Kaders befördern, wird in der kommenden Saison Philipp Arnold. Der 26-jährige, in der vergangenen Saison mit den U17-Juniorinnen von Bayer 04 Leverkusen Gewinner der Deutschen Meisterschaft, hat als Co-Trainer neue Aufgaben im Lerch-Team übernommen: «Mit der Erweiterung unseres Trainerteams werden wir unsere Spielerinnen noch besser und gezielter fördern können und gehen damit auch den nächsten Schritt, unsere Strukturen immer weiter zu professionalisieren», sagt Lerch. Welches Saisonziel Philipp Arnold verfolgt, ist dem Korrespondenten dieses Portals nicht bekannt. Vielleicht hat er ja auch «Bock auf die Champions-League», sagt es aber nicht.

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