13.12.2018 - 07:37 Uhr | News | Quelle: dpa | von: Rainer Hennies
Kleine Revolution: Afghanische Fußball-Frauen stürzen Verbandsspitze

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Im afghanischen Fußball wird ein Skandal öffentlich gemacht. Daraus entsteht eine Revolution. Die Frauen-Nationalmannschaft sorgt dafür, dass die Verbandsspitze von der Regierung suspendiert wird.

Attacken, Geld-Angebote für Sex und körperliche Gewalt: Der afghanische Frauenfußball wird von einem Skandal erfasst, von dem sich sogar der Präsident des Landes erschüttert zeigt. Funktionäre und Trainer sollen mehrere Nationalspielerinnen zumindest im vergangenen Februar während eines einwöchigen Trainingslagers mit zwei Länderspielen in Jordanien sexuell belästigt haben.

Verbandspräsident Keramuddin Karim, sein Stellvertreter Jusuf Kargar sowie Generalsekretär Sajed Ali Resa Agasada wurden vor einigen Tagen ebenso suspendiert wie ein Mitglied aus dem Trainerstab der Frauen-Nationalmannschaft und ein weiterer Funktionär. Das hatte ein Chefberater der afghanischen Regierung, Fasil Fasli, bekanntgegeben. Am Mittwoch suspendierte die Ethik-Kommission der FIFA Karim für vorerst 90 Tage von allen nationalen und internationalen Aktivitäten. Sie berief sich dabei auf Artikel 84 des FIFA-Ethik-Kodex.

Die 2011 vor Morddrohungen der Taliban ins dänische Exil geflüchtete Team-Managerin und ehemalige Nationalspielerin Chalida Popal ist eine der Wortführerinnen, ihre Vorwürfe fanden weltweit ein großes Echo. Popal war im Trainingscamp in Amman anwesend. Die 31-Jährige gibt an, dass mindestens fünf Frauen in ihren Räumen von zwei Männern aus dem Verband misshandelt worden seien.

Die Spielerinnen würden aus Angst um ihre Sicherheit und die ihrer Familien nicht öffentlich darüber sprechen, sagte Popal dem US-Fernsehsender CNN. Die Gewalt habe sich gegen in Afghanistan lebende Teammitglieder gerichtet. Eine Spielerin habe Blutergüsse gezeigt. Sie soll mit einem Billardqueue geschlagen worden sein.

Afghanistans Staatspräsident Aschraf Ghani reagierte erschüttert, nachdem immer mehr Details bekannt wurden. «Es ist schockierend für alle Afghanen. Jede Art von Fehlverhalten gegen Sportler, männlich und weiblich, ist nicht akzeptabel», zitierten ihn «New York Times», die BBC oder die britischen Zeitungen «Guardian» und «Daily Telegraph». Der afghanische Verband wies durch seinen Generalsekretär alle Vorwürfe entschieden zurück. Der dänische Sportartikelhersteller Hummel stellte die Unterstützung des Verbandes ein.

Popal hatte den Fußball-Weltverband FIFA um Ermittlungen gebeten. Man habe diese aufgenommen, heißt es aus Zürich angesichts eigener Null-Toleranz-Vorgaben in Bezug auf Menschenrechte. Man arbeite mit den Vereinten Nationen zusammen, auch, um die Sicherheit der Spielerinnen zu gewährleisten. Der Chef von Afghanistans Olympischem Komitee, Hafis Wali Rahimi, sagte der BBC, dass sexuelle Gewalt nicht nur beim Fußball existiere.

Die im Ausland lebenden Spielerinnen sollen nicht von den sexuellen Übergriffen betroffen sein, fühlen aber mit ihren Kolleginnen mit. «Es ist furchtbar, was gerade im Verband und in der Nationalmannschaft so abgeht», sagte Manija Mir. Die 21 Jahre alte gebürtige Hamburgerin hat über Instagram ihren Rücktritt aus dem Nationalteam erklärt. Zuvor hatten das schon die in Hamburg lebenden Schwestern Schabnam (27) und Mariam Ruhin (25) via Facebook getan. «Die Gerechtigkeit hat schließlich gesiegt», schrieb Schabnam Ruhin.

Auch Mina Ahmadi, 21 Jahre alte Stürmerin bei Bergedorf 85, hat Konsequenzen gezogen. Sie hat einen vom Verband vorgelegten Vertrag nicht unterzeichnet und ist seitdem nicht mehr eingeladen worden.

Den Fußballerinnen wird unter anderem vorgeschrieben, während öffentlicher Auftritte, etwa im Training oder bei Social-Media-Postings, einen Hidschab - eine islamische Kopfbedeckung - zu tragen. Auch werden sämtliche Pressekontakte verboten, die der Verband nicht schriftlich genehmigt hat. Mobares und Ahmadi posteten das Schriftstück auf ihren Social-Media-Kanälen. Ahmadi ist auf ihr Engagement stolz: «Es ist die größte Ehre, Teil dieser Mission zu sein und den Leuten zu zeigen, dass sie ihre Stimme erheben sollten, wenn sie falsch behandelt werden.»

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