11.12.2025 - 12:50 Uhr | News | Quelle: sd | von: Emilie Bitsch
Türchen Nummer 11: Caroline Seger – Die Architektin des schwedischen Spiels

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©IMAGO
Als der Schlusspfiff ertönt, steht Caroline Seger einen Moment lang reglos da. Das Stadion in Göteborg erhebt sich, Tausende klatschen im Takt. Seger wischt sich über die Augen, hebt kurz die Hand und lächelt dieses leise Lächeln, das ihre ganze Laufbahn begleitet hat: nicht triumphierend, nicht pathetisch, sondern von einer ruhigen Dankbarkeit getragen. Es ist ihr letztes Spiel im gelben Trikot. Ein Abschied, der sich anfühlt, als würde ein ganzes Kapitel des europäischen Frauenfußballs zu Ende gehen.

Vom Mädchen aus Helsingborg zur Führungsspielerin

Geboren in Helsingborg, wuchs Seger in einer Region auf, in der Fußball mehr war als nur ein Sport. Schon früh bewegte sie sich wie selbstverständlich auf dem Platz, mit einer Ruhe, die nicht zu ihrem Alter passte. Während viele andere sich noch suchten, wusste Seger, was sie wollte: Spiele gestalten, Spiele lesen, Spiele kontrollieren. Schon früh erkannte man ihr Talent: Sie wurde zur besten schwedischen Nachwuchsspielerin ausgezeichnet. Ihr erster Profiverein, Stattena IF, erkannte schnell, dass hier jemand auf dem Platz stand, der später einmal die Linien des Spiels bestimmen würde. Nicht durch Dribblings oder Spektakel, sondern durch Struktur.

Es folgte der Schritt zu Linköpings FC, der ihr endgültig den Weg in die Spitze ebnete. Dort reifte sie zur zentralen Figur, zur Verbindungsstelle zwischen Abwehr und Angriff. 2009 gewann sie mit dem Klub ihre erste schwedische Meisterschaft. Ein Moment, der ihren Status im schwedischen Fußball verankerte: Seger, die Taktgeberin. Seger, die Verlässliche.

Der Sprung in die Welt – USA, Paris, Lyon

Doch Seger wollte mehr als nur nationale Dominanz. Sie suchte die Herausforderung, die Intensität und die internationalen Reize. Der Wechsel in die USA zu Western New York Flash war mutig: physischer Fußball, hohes Tempo, komplett neue Umgebung. Doch genau dort wuchs sie weiter. In ihrem Jahr bei New York holte sich die zentrale Mittelfeldspielerin den nächsten Titel, den der WSP. Dieser Titel zeigte, dass sie auch außerhalb Europas dominieren konnte.

Ihre Zeit bei Paris Saint-Germain verlieh ihrer Karriere noch einmal eine neue Tiefe. Paris brauchte Führung, Stabilität, jemanden, der der Mannschaft Struktur gab, und fand all das in ihr. Danach kam der Wechsel zu Olympique Lyonnais (heute: OL Lyonnes), dem erfolgreichsten Frauenklub der Welt. 2017 gewann sie mit Lyon die Champions League, wurde aber im Finale gegen ihren Ex-Klub PSG nicht eingesetzt. Zuvor trug sie jedoch viel dazu bei, ins Finale zu kommen. Die Champions-League-Saison war ein Höhepunkt ihrer internationalen Laufbahn und ein weiterer Beweis dafür, wie anpassungsfähig und konstant sie auf höchstem Niveau spielte.

Nach ihren Jahren im Ausland kehrte sie nach Schweden zurück, zum FC Rosengård. Sie tat das, was sie immer tat: das Spiel ordnen, das Tempo bestimmen und jüngere Spielerinnen führen. Auch dort gewann sie die schwedische Meisterschaft, aber nicht nur einmal: Ganze viermal durfte sie die Trophäe am Ende der Saison hochheben. Seger ist somit die einzige Spielerin, die bei vier verschiedenen schwedischen Teams die Meisterschaft holte.

Am 09. November 2024 verabschiedete sie sich endgültig von der Fußballkarriere. Beim 3:0 gegen Djurgårdens IF DFF spielte sie gemeinsam mit der deutschen Nationalspielerin Rebecca Knaak 90 Minuten durch und wurde anschließend gebührend gefeiert.

Die Konstante im Nationalteam

Mit 20 Jahren debütierte sie im Nationalteam und blieb fast zwei Jahrzehnte lang eine unverzichtbare Figur. 240 Länderspiele, mehrere Welt- und Europameisterschaften, olympische Medaillen. Kaum eine Spielerin prägte die schwedische Nationalmannschaft stärker und länger.

Seger war keine Kapitänin, die vorneweg schrie. Sie war eine, die man ansah, um Ruhe zu finden. Eine, die Räume öffnete, bevor andere sie überhaupt sahen. Ihre Stärke war nicht der große Auftritt, sondern das Gleichgewicht. Und kein Team braucht etwas so sehr wie das.

In ihren 18 Jahren im gelben Trikot wurde sie dreimal WM-Dritte, gewann zweimal die Silbermedaille bei den Olympischen Spielen und wurde in die beste Mannschaft der WM 2011 berufen. Mit ihren 240 Spielen ist sie nun die zweitbeste europäische Rekordnationalspielerin, nach Sherida Spitse (248 Spiele), die nun vor Kurzem ebenfalls ihre internationale Karriere beendete.

Vermächtnis einer stillen Ikone

Segers Einfluss lässt sich nicht allein in Zahlen festhalten. Sie war eine der ersten schwedischen Spielerinnen, die offen über Professionalität, mentale Belastung und Gleichberechtigung im Sport sprach. Durch ihre Beständigkeit zeigte sie, wie wichtig langfristige Struktur im Frauenfußball ist. Sie prägte eine Generation, die nach ihr kam: nicht durch große Reden, sondern durch tägliche Arbeit.

2022 eröffnete sie gemeinsam mit dem FC Rosengård einen „Fonds“, der sich um Kinder kümmerte, die kein Geld hatten, um Fußball zu spielen. Laut einer Sifo-Umfrage des FCR können rund 100 000 schwedische Kinder Vereinssport nicht ausüben, da sie finanziell nicht in der Lage sind. Mit dieser Stiftung schenken Seger und der FCR den Kindern die Möglichkeit, ihrer Leidenschaft nachzugehen. Auch Seger berührte diese Entscheidung: „Ich bin stolz darauf, dass der FC Rosengård in meinem Namen einen Fonds eingerichtet hat, der es mehr Kindern in unserem Verband ermöglichen kann, Fußball zu spielen und an ihre Träume zu glauben.“

Ihre Karriere ist ein Symbol dafür, wie weit man kommen kann, wenn man Geduld mitbringt und sich nicht aus der Ruhe bringen lässt. Nicht jede Legende ist laut. Manche schreiben Geschichte im Flüsterton.

Ein Abschied mit leiser Größe

Als Caroline Seger ihr letztes Nationalspiel verlässt, legt sie erneut die Hand aufs Herz. Die Fans danken ihr, die Mitspielerinnen umarmen sie, Trainerinnen verneigen sich fast. Und Seger? Sie wirkt, als würde sie all das nicht für selbstverständlich halten. Interessant ist auch, was „Seger“ im Schwedischen heißt: nämlich „Sieger“. Die heute 40-Jährige mochte es nie, sich wirklich feiern zu lassen als Siegerin, aber sie war eine, die den Frauenfußball in Schweden nachhaltig stark geprägt hat.

Ihre Karriere endet nicht mit einem großen Knall, sondern mit einem Gefühl von Vollständigkeit. Ein Kapitel schließt sich. Ein Vermächtnis bleibt.

Caroline Seger – die Architektin, die ein Spiel ordnete und eine Ära prägte.



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