09.12.2025 - 12:00 Uhr | News | Quelle: FIFA | von: lb
Türchen Nummer 9: Sun Wen – Vorbild eines ganzen Kontinents

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Sie sollte ihre Nation und einen ganzen Kontinent inspirieren, doch sie blieb ohne die ganz großen Titel. Ein Blick darauf, warum Sun Wen, von FIFA zur geteilten „Fußballerin des Jahrhunderts“ ernannt, zum Idol wurde und weshalb ihre Geschichte zugleich unvollendet wirkt.

Ein Moment für die Ewigkeit

Der Rose Bowl in Pasadena hält den Atem an: 90.000 Zuschauer und Millionen vor den Fernsehern in China sehen, wie Sun Wen mit der Kaltschnäuzigkeit, die sie durchs ganze Turnier getragen hat, ihren Elfmeter verwandelt. 4:4 steht es im Shootout des WM-Finals 1999, doch am Ende jubeln die USA. Brandi Chastains Treffer und der zuvor gehaltene Elfmeter von Liu Ying besiegeln die bitterste Niederlage der „Steel Roses“ und ihrer Karriere.

Sun Wen wurde anschließend mit Tränen in den Augen zur besten Spielerin und Torschützin des Turniers mit sieben Treffern (gemeinsam mit Brasiliens Sissi) gekürt. So nah wie damals rückten die Chinesinnen nie mehr an den Fußball-Olymp heran – getragen von ihrer 1,62 Meter großen Torjägerin. Rückblickend sprach Wen, die in ihrer Karriere sonst eher zurückhaltend und bescheiden auftrat, weniger über das Ergebnis als über die Dimension des Moments: „Es ging nicht um den Ausgang. Es war dieses Gefühl, vor 90.000 Menschen zu spielen.“

Stiller Widerstand

Gegen die Erwartungen ihrer Familie fand die gebürtige Shanghaierin ihren Weg zum Fußball. Ihr Vater, selbst Hobbykicker und ihr erster Mentor, weckte ihre Begeisterung dafür früh. Ihre Mutter drängte sie jedoch, sich auf die Schule zu konzentrieren. „Sie wollte mir ausreden, Fußball zu spielen – es sei zu hart und zu konkurrenzintensiv. Aber ich hörte nicht zu“, blickte sie einst zurück.

Und so stand sie mit 18 im Kader der ersten offiziellen WM, ohne dass ihre Eltern es wussten, und spielte, nachdem sie zuvor schon für den AFC Women’s Asian Cup nominiert war. Sie traf im Gruppenspiel gegen Dänemark, trug die Gastgeberinnen ins Achtelfinale und begann eine Karriere, die vier Weltmeisterschaften umfassen sollte.

Zwischen Pass und Wucht

Schon als Teenager war Wen eine moderne Stürmerin: Sie war beidfüßig, technisch versiert und hatte zugleich Schussgewalt aus der zweiten Reihe. Sie ließ sich oft fallen, gestaltete Angriffe und war sowohl Spielmacherin als auch Vollstreckerin. In 28 WM- und Olympiaeinsätzen erzielte sie 16 Tore, viele davon in entscheidenden Momenten.

Ihre größten internationalen Meilensteine waren Atlanta 1996 (Silber) und die WM 1999. Außerhalb Asiens kam sie dem Gipfel nie näher – ebenso wenig eine asiatische Mannschaft –, bis Japan 2011 den Titel errang.

Ikone eines Landes

In China jedoch wurde sie zur Legende. Sie gewann fünf Titel beim AFC Women’s Asian Cup und hatte eine kurze, verletzungsgeprägte Zeit in der US-Profiliga bei Atlanta Beat. Vor allem aber wurde sie zum Gesicht des Frauenfußballs – in Shanghai und im ganzen Land. Für ihren letzten Asian Cup 2006 kehrte sie sogar kurzfristig aus dem Ruhestand zurück.

Nach ihrer aktiven Karriere wählte Sun Wen den stillen Weg – konsequent fernab des Rampenlichts, aber nah am Fußball. Als stellvertretende Direktorin des Shanghaier Jugendsportzentrums und später als Vizepräsidentin des chinesischen Fußballverbands arbeitete sie daran, Strukturen zu verbessern und den „Steel Roses” eine Zukunft zu geben. Für die WM 2019 und die Bewerbungskommission für die WM 2027 kehrte sie auf FIFA-Ebene zurück.

Über kulturelle und geografische Grenzen hinweg

Sun Wens Bedeutung lässt sich vielleicht am besten durch die Würdigung erklären, die sie 2002 erhielt: Zwar gewann Michelle Akers den Gesamttitel im FIFA-Voting zur „Spielerin des Jahrhunderts“, doch Sun Wen erhielt die meisten Stimmen der Fans weltweit und wurde mit dem FIFA Internet Award ausgezeichnet. Dies war ein Symbol dafür, wie sehr sie Menschen über kulturelle und geografische Grenzen hinweg berührte. Der Asian-Cup-Titel 2022, errungen von einer neuen Generation „Steel Roses“, trägt ihre Inspiration in sich.

Sun Wen selbst blickt dabei immer wieder auf jenen magischen Sommer 1999 zurück: „Ich erinnere mich immer an das Finale. Wir werden es nie vergessen, denn als Fußballerin war es ein Traum, zu sehen, dass die eigenen Fähigkeiten wirklich geschätzt werden. In unserer Liga kamen manchmal nur ein paar Hundert Zuschauer, da zweifelte man. Dieser Moment war wie ein Traum.“

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