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16.12.2025 - 10:00 | News | Source: sd | von: Stefan Wallaschek
Türchen Nummer 16: Wendie Renard – der französische Kontrollturm

©IMAGO
Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Medien, Fans und ehemalige Spielerinnen zeigten sich irritiert, teils fassungslos. Auch Renard selbst suchte nach Erklärungen und sagte öffentlich „Nur Gott weiß, warum ich nicht in diesem Kader stehe.“ Um die ganze Bedeutung dieser Spielerin einzuordnen, lohnt sich ein Blick auf eine Karriere, die im europäischen Frauenfußball ihresgleichen sucht.
Von Martinique nach Lyon
Wendie Renard wurde 1990 im französischen Übersee-Département Martinique geboren. Auf der Karibikinsel begann sie früh mit dem Fußball, nutzte jede Gelegenheit, um zu spielen. Als Mädchen, weit entfernt von den großen Stadien Europas, schien der Traum vom Profifußball zunächst unrealistisch. So unwirklich, dass eine Lehrerin ihr sagte, den Beruf Profi-Fußballerin, den Renard geäußert hatte, gebe es nicht. Renard widersprach: „Es war keine Frage, ob dies passieren könnte. Es würde passieren. In meinen Augen war es eine Tatsache.“ Für sie war nur die Frage, wann es die anderen realisieren würden. Mit 16 Jahren flog sie in das 8000km entfernte Frankreich, um im nationalen Leistungszentrum in Clairefontaine ausgebildet zu werden, doch nach Eingangstest wurde sie nicht berücksichtig. Und schließlich landete sie im Nachwuchszentrum von Olympique Lyonnais und nach nur einer Woche Probetraining, durfte sie bleiben. Noch im selben Alter debütierte sie für die erste Mannschaft. Ein Jahr später folgte die Berufung in die französische Juniorinnen-Nationalmannschaft. Seit der Saison 2007/08 ist Renard fester Bestandteil der OL Defensive – und Verein und Spielerin sind sich bis heute treu geblieben. In einer Zeit stetiger Wechsel, Titeljagden und wachsender Transfermärkte ist diese Konstanz außergewöhnlich.
Im Verein: Unglaublich dominant und erfolgreich
Titel sammeln musste Renard anderswo nicht. 19 Jahre Lyon. 18 Meisterschaften. 10 nationale Pokale. Acht Champions-League-Titel bei elf Finalteilnahmen. Fünfmal gelang es Lyon mit Renard sogar das Triple aus Meisterschaft, Pokal und Champions League zu holen. Zahlen, die fast unwirklich klingen – und doch Ausdruck einer Mannschaft und einer Spielerin sind, die das Verlieren nahezu verlernt haben. „Ich bin sehr jung nach Lyon gekommen und habe da Spielerinnen mit dem Siegergen kennengelernt. Das lernt man Schritt für Schritt“, erinnert sich Renard und fährt fort: „Du machst Fortschritte, indem du mit anderen großen Spielerinnen zusammenspielst, die das Verlieren hassen, und Trainer hast, die es dir einprägen“. Und wurde selbst zu einer solchen Spielerin.
Der torgefährliche Kontrollturm
Mit 1,87 Metern Körpergröße ist Renard auf dem Platz kaum zu übersehen. Ihre Physis verbindet sie mit Spielintelligenz, Antizipation und außergewöhnlicher Ruhe. Sie verteidigt nicht hektisch, sondern kontrolliert. Nicht umsonst trägt sie den Spitznamen „Kontrollturm“. Besonders bei Standards ist sie brandgefährlich: In 384 Pflichtspielen für Lyon erzielte sie 127 Tore – ein bemerkenswerter Wert für eine Innenverteidigerin. Ebenso bemerkenswert ist ihre Disziplin: In ihrer gesamten Profikarriere bei OL und im Nationalteam wurde sie nie des Feldes verwiesen und erhielt in 515 Spielen lediglich 50 Gelbe Karten.
Individuelle Weltklasse
Individuelle Auszeichnungen blieben dennoch lange aus. Die Wahl zur Spielerin des Jahres der französischen Liga ging seit dessen Einführung 2001 bislang nie an eine Verteidigerin. Dennoch wurde Renard 2015 in die Weltauswahl berufen und landete 2018 und 2019 unter den Top Ten des Ballon d’Or – jeweils als beste Abwehrspielerin. Zudem ist Renard mit aktuell 129 Einsätzen Rekordhalterin der Champions League. Ihr damaliger Trainer Reynald Pedros nannte sie eine „außergewöhnliche Wettkämpferin“, die nicht nur zu den „besten Spielerinnen der Welt auf ihrer Position“ gehört, sondern „sich noch weiter verbessern“ würde.
In der Nationalelf: Ambitioniert, aber erfolglos
Während Renard mit OL dominierte, blieb der große Erfolg mit der Nationalmannschaft aus. Seit 2011 absolvierte sie 118 Länderspiele für Frankreich, nahm an vier Welt-, drei Europameisterschaften und drei Olympischen Spielen teil. Der größte Erfolg: jeweils Platz vier bei der WM 2011 und den Olympischen Spielen 2012. Konflikte begleiteten diese Zeit. Unter Trainerin Corinne Diacre verlor Renard 2017 das Kapitänsamt, das Verhältnis galt als zerrüttet. Erst 2021 wurde sie wieder zur Spielführerin ernannt. 2023 erklärte Renard schließlich aus mentaler Erschöpfung ihren Rücktritt aus der Nationalmannschaft – aber auch als Protest gegen eine fehlende Professionalisierung und ungenügende Strukturen im Verband. Nach dem Trainerwechsel kehrte sie zurück, spielte bei der WM 2023 eine zentrale Rolle und erzielte ein Tor. Umso überraschender war die Entscheidung Bonadeis vor der EM 2025. Renard und andere erfahrene Spielerinnen fehlten zunächst in der Nations League und schließlich auch im EM-Kader. Das Medienecho in Frankreich war enorm, zumal die Ambitionen hoch waren, endlich eine Medaille zu gewinnen. Ihre Nationalmannschaftskarriere hat sie damit nicht offiziell beendet. Die WM 2027 in Brasilien bleibt eine Möglichkeit. Vielleicht auch ein offenes Kapitel für die Wettkämpferin, die stets gewinnen will.
Internationale Identifikationsfigur
Wendie Renards Karriere erzählt von außergewöhnlichem Erfolg und von Widerständen. Von Dominanz auf Vereinsebene und auf dem Platz, aber auch von Enttäuschungen und Rückschläge im Nationaltrikot. Von einer Spielerin, die früh gelernt hat, dass ihr gesagt wird, was nicht möglich sei und die genau das nie akzeptiert hat. Mit diesem unerschütterlichen Willen, ihrer Führungsstärke und der Bereitschaft, auch unbequeme Sachen im Frauenfußball anzusprechen, gehört Wendie Renard nicht nur zu den erfolgreichsten Spielerinnen, sondern auch zu den prägendsten Figuren des internationalen Sports der letzten zwei Jahrzehnte.
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