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21.12.2025 - 11:00 | News | Source: FIFA | von: lb
Türchen Nummer 21: Hope Solo – Die Unbequeme

©reignfc.com
Wer nach den größten Paraden von Hope Solo sucht, stößt auf ein verpixeltes Video. 34 Sekunden lang. Olympisches Finale 2008 in Peking.
In der 72. Minute bricht Marta über die linke Seite durch. Eine Körpertäuschung, zwei Verteidigerinnen bleiben stehen. Sie zieht vors Tor ab mit links, hoch ins kurze Eck. Eigentlich ein Tor. Doch Hope Solo reißt den Arm hoch. Reflex, Instinkt, Weltklasse.
Nach dem Schlusspfiff steht Marta vor den Kameras. „Wieder haben wir es aus der Hand gegeben“, sagt sie. „Es ist schwer zu sagen, warum das immer wieder passiert.“ Carli Lloyds Treffer in der Nachspielzeit bringt den USA olympisches Gold, aber ohne die Paraden von Hope Solo hätte dieses Finale einen anderen Ausgang genommen.
Während Marta erklärt, läuft Hope Solo mit dem Handy am Ohr und einem breiten Grinsen über den Rasen. Es ist ihr erstes von zwei olympischen Goldmedaillen. Bei der Siegerehrung schließt sie die Augen, klammert sich an das Edelmetall. Die Fans skandieren: „We want Hope.“
Sie sollten sie oft bekommen. Nicht nur als überragende Torhüterin, sondern auch als eine der widerstandsfähigsten Figuren, die der Frauenfußball je hervorgebracht hat.
Aus dem Schatten
Hope Solo wächst in Richland, Washington, auf. Die Familie ist früh zerrüttet. Die Eltern trennen sich. Hope lebt überwiegend bei ihrer Mutter. Ihr Vater Jeffrey Solo, Vietnamveteran mit Vorstrafen, ist eine unbeständige Figur in ihrem Leben, präsent, dann wieder verschwunden. Er ist es jedoch auch, der ihr im Alter von fünf Jahren erstmals einen Fußball schenkt.
Sportlich findet sie früh Halt. An der Richland High School spielt sie zunächst im Feld, erzielt über 100 Tore und gewinnt mehrere Meisterschaften. Erst der Wechsel ins Tor verändert ihre Laufbahn entscheidend. An der University of Washington entwickelt sie sich zur Torhüterin von nationalem Format: Rekorde, Auszeichnungen, Zu-Null-Spiele. Als mehrfach ausgezeichnete All-American und Pac-10-Spielerin gilt sie als die beste Torhüterin in der Geschichte der Pac-10.
In dieser Zeit taucht auch ihr Vater wieder auf. Jeffrey Solo steht vier Stunden vor Anpfiff am Stadion und sitzt später wieder in seinem Zelt. Hope bringt ihm Makkaroni mit Käse, setzt sich zu ihm und hört ihm zu. Zwei Welten, die sich am Spielfeldrand berühren. Später wird sie sagen: „Der Einzige, der mich wirklich kannte, war mein Vater.“
Ins Licht
Über Stationen bei Philadelphia Charge, Göteborg FC und Olympique Lyonnais (heute OL Lyonnes) sowie später in den USA – vor allem bei Seattle Reign FC – wächst Hope Solo zur prägenden Torhüterin des US-Fußballs. Bis heute hält sie zentrale Rekorde: 202 Länderspiele, 153 Siege, 102 Zu-Null-Spiele. Letzterer US-Rekord und statistischer Marker einer ganzen Ära. Solo wird zur Referenz für eine neue Generation von Torhüterinnen.
Zwischen 2008 und 2016 ist sie weit mehr als die letzte Instanz. Sie spielt hoch hinter der Kette, antizipiert Tiefe, eröffnet Angriffe mit schnellen Abwürfen. Bei den Olympiasiegen 2008 und 2012 entscheidet sie Spiele mit Momenten jenseits jedes Matchplans, sei es in Peking gegen Brasilien, in London im Finale gegen Japan. Reflexe, die eher an eine Handballtorhüterin erinnern als an die klassische Linienkeeperin.
2015 kulminiert ihre Dominanz: Solo steht im Tor, als die USA in Kanada Weltmeister werden und das Finale gegen Japan zur meistgesehenen Fußballübertragung der US-Geschichte avanciert. Ihre Aufnahme in die «National Soccer Hall of Fame» 2022 wirkt weniger wie eine Ehrung als wie eine späte Formalität. Selbst nach dem Bruch mit dem Verband bleibt ihre Bilanz so stark, dass Ignorieren keine Option ist. Die US-Dominanz der 2010er lässt sich ohne Solo kaum erklären.
Im Zwiespalt
Doch Hope Solo passte dazu nie in das Bild der stillen Stars. Als sie nach dem WM-Halbfinale-Aus 2007 gegen Brasilien Trainer Greg Ryan offen kritisierte, wurde sie isoliert, aus dem Kader gestrichen, zum Störfaktor erklärt. Sportlich kehrte sie zurück, stärker als zuvor. Eine Distanz zum Verband blieb.
Auch später verweigerte sie sich der Rolle der ruhigen Führungsspielerin. Sie widersprach Kommentatorinnen, stellte Entscheidungen infrage, sprach aus, was sie als Ungerechtigkeit empfand. In einer Mannschaft, die auf Harmonie und Kontrolle setzte, wirkte ihre Direktheit wie ein Fremdkörper.
Es folgte der endgültige Bruch mit dem Verband im Jahr 2016: Nach dem Olympia-Aus gegen Schweden beschimpfte sie die Gegner als „Feiglinge“. Worte, die das Ende ihrer erfolgreichen Nationalmannschaftskarriere einläuteten. Zurück blieb die Debatte: Wo endet Führungsstärke, wo beginnt Untragbarkeit? Hope Solo wurde zur Grenzfigur. Nicht trotz, sondern wegen ihrer Kompromisslosigkeit.
Unscharfe Grenzen
Abseits des Platzes geriet diese Kompromisslosigkeit immer wieder außer Kontrolle. Medizinische Grauzonen, juristische Auseinandersetzungen und Alkohol: Es handelt sich um Brüche, die sich durch ihre Karriere ziehen. Jeder Vorfall verschob den Fokus ein Stück weiter weg vom Sport. Die Rekordhalterin blieb bestehen, wurde jedoch von Fragen nach Verantwortung, Vorbildfunktion und Selbstzerstörung überlagert.
Hope Solo selbst hat diese Ambivalenz nie aufgelöst. Auch nicht nach ihrem letzten Auftritt im Rampenlicht. Es sind die Schattenseiten abseits des Feldes, die zum Bild von Hope Solo dazugehören.
Schwer zu greifen
Und doch wird sie bis heute gefeiert. Für ihre Paraden gegen Brasilien, den Algarve Cup, den Weltmeistertitel und das olympische Gold. Zu dieser Geschichte gehören ebenso Skandale und Auseinandersetzungen wie sportliche Größe. Nach neun Jahren Pause stand Hope Solo im Juni dieses Jahres noch einmal zwischen den Pfosten, bei einem Seven-a-Side-Turnier ehemaliger Profis in North Carolina. Bis ins Achtelfinale hielt sie ihren Kasten weitgehend sauber und erinnerte daran, warum sie einst als Maßstab ihres Fachs galt.
Hope Solo zwang den Frauenfußball dazu, sich nicht nur sportlich, sondern auch gesellschaftlich zu öffnen. Sie ist eine Figur der Extreme: gefeiert für ihre Paraden und Titel, kritisiert für ihre Eskalationen und Grenzüberschreitungen. Sie war eine Weltklasse-Torhüterin, unbequem und widersprüchlich und genau deshalb bis heute so schwer einzuordnen.
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