Viel zu bereden: Die Fußballerinnen-Serie «Born for this»


Foren - Diskussionsforen - News-Forum - Viel zu bereden: Die Fußballerinnen-Serie «Born for this»

neues themaAntworten
Viel zu bereden: Die Fußballerinnen-Serie «Born for this» |  Startbeitrag 07.07.2022 - 11:44
  Prytz2
Beiträge: 452
IP: logged

FC Hansa Rostock
Eine Langzeit-Doku begleitet Deutschlands Frauen-Nationalmannschaft auf dem Weg zur Fußball-EM. Deutlich werden die krassen Unterschiede zum Männerfußball. Bedeutet ein Kind das Karriere-Aus im Profisport?

«Nationalspielerin bin ich immer.» So schwört die Bundestrainerin der deutschen Frauen-Fußball-Nationalmannschaft, Martina Voss-Tecklenburg, ihre Spielerinnen auf die Aufgaben in ihrer Karriere ein. Mehr als ein Jahr lang hat ein Team des US-Unterhaltungskonzerns Warner Bros die deutsche Fußball-Nationalelf der Frauen auf dem Weg zur Europameisterschaft in England begleitet. Die Kickerinnen erlauben dabei tiefe Einblicke in ihre Gefühlswelt.

Das Ergebnis ist in der dreiteiligen Doku «Born for This - mehr als Fußball» zu sehen, die jetzt in der ARD-Mediathek steht und parallel bei Sky und Magenta TV zu streamen ist. Sie zeigt viele Emotionen, Ängste, Sorgen. Es geht um Verletzungen, den Kampf zurück ins Team, gesellschaftliche Probleme wie sexuellen Missbrauch und darum, wann es für eine Fußballerin Zeit ist, Mutter zu werden.

Torhüterin Almuth Schult bekommt in mehrfacher Hinsicht die größte Aufmerksamkeit. Thema ist ihr Kampf zurück als Nummer 1 ins Tor der Nationalmannschaft nach einer langen Ausfallzeit. Die Doku folgt ihr bei Erfolgen, Fehlern und Niederlagen, bei Zweifeln und steigenden Selbstbewusstsein. Vor der Kamera kann sie sich eine Träne nicht verkneifen. Der Druck auf die Nationalspielerin, die im Frühjahr 2020 Mutter wurde, scheint groß zu sein. Ausfallzeiten und Konkurrenzkämpfe ziehen sich durch die Doku wie ein roter Faden. Torjägerin Alexandra Popp ist beim Reha-Training zu sehen. Die 31 Jahre alte Wolfsburgerin möchte unbedingt bei der EM in England dabei sein, nachdem sie 2013 und 2017 bereits verletzt ausgefallen war.

Eindrucksvoll wird der Leidensdruck bei der 27-jährigen Lina Magull deutlich. Die Mittelfeldspielerin vom FC Bayern München wird nach einer Oberschenkelverletzung von der Physiotherapeutin behandelt. Die schmerzhaften Massagen darf sie immerhin mit gefluchten Tiernamen kontern. «Affe, ey», pöbelt Magull, halb schmerzverzerrt, halb ironisch und kann in der angespannten Situation für einen Lacher sorgen. Auch ihre Entwicklung vom verletzungsgeplagten Sorgenkind zur unverzichtbaren Führungsspielerin wird in dieser Serie begleitet.

Während gerade die routinierten Spielerinnen mit vielen körperlichen Problemen zu kämpfen haben, gelingt es den jüngeren Fußballerinnen mit guter Laune zur Nationalmannschaft zu reisen. Laura Freigang und Jule Brand erzählen von ihren ersten Nominierungen. «Ich bin erst beim zweiten Anruf rangegangen», erzählt Brandt belustigt.

In Deutschland scheinen also die meisten mit sich selbst beschäftigt zu sein, in den USA hingegen rückt ein Skandal in die Schlagzeilen. Sexueller Missbrauch ist dort endgültig im Frauenfußball angekommen. Starkickerin Dzsenifer Marozsan, die in Seattle spielt, schildert den Tag, an dem die Nachricht verkündet wurde, als schlimm. «In der Kabine bei uns haben alle geweint», fügt sie hinzu.

Überall werden nun im Frauenfußball Zeichen gesetzt. Voss-Tecklenburg sagt, man müsse Verantwortung gegenüber den Spielerinnen zeigen. «Wir müssen zeigen, dass Machtmissbrauch nicht normal ist.»

Auch im weiteren Verlauf werden die Spielerinnen mit schweren Themen konfrontiert. Der Besuch in Yad Vashem in Israel sorgt für tiefe Gespräche. «Es gibt noch viel zu oft Rassismus», sagt die 22-jährige Lena Lattwein. Aus ihrer Sicht habe die Gesellschaft aus der NS-Zeit noch nicht genug gelernt. Aber auch Dankbarkeit für das behütete Leben wird gezeigt. «Wir sind offen, wir sind divers», betont Voss-Tecklenburg und fordert, dass man ein Vorbild sein müsse.

Im Team geht es bei weitem nicht nur um Fußball. Lina Magull und Laura Freigang sprechen über ihre Freundschaft, das Team überlegt wann es Zeit ist, Mutter zu werden. Torhüterin Almuth Schult hatte für ihre Schwangerschaft die Karriere unterbrochen.

Beim Teamabend unterhalten sich Lina Magull und Wolfsburgs Abwehrspielerin Kathrin-Julia Hendrich bei Glühwein und süßen Knabbereien, was wäre, wenn Hendrich kein Fußball spielen würde. Die Freundin von Sebastian Griesbeck (Greuther Fürth) beschäftigt sich mittlerweile sehr mit dem Thema und vermutet, dass es «wahrscheinlich schon so weit wäre», wenn sie nicht Fußball spielen würde. Martina Voss-Tecklenburg spricht emotional über ihre eigenen Erfahrungen mit Schwangerschaften. Die harte Schale löst sich zwischenzeitlich.

Männliche Fußballer haben nach ihrer Karriere meist finanziell ausgesorgt, bei Frauen ist das oft nicht der Fall. Beim DFB werden ihnen Trainerinnen-Lehrgänge angeboten, manche studieren, andere gehen einer Ausbildung nach. Jede muss an ihrem zweiten Standbein arbeiten. Der Stress macht sich bemerkbar. Im Flugzeug auf dem Weg zum Spiel wird noch schnell eine Hausarbeit fortgesetzt. In den wenigsten Vereinen gibt es professionelle Strukturen. Almuth Schult bringt es auf den Punkt: «Das ist kein fairer Wettbewerb.» Dennoch lässt sich die Elf ihre Kabinenparty nach erfolgreicher EM-Qualifikation nicht nehmen.
neues themaAntworten


Foren - Diskussionsforen - News-Forum - Viel zu bereden: Die Fußballerinnen-Serie «Born for this»