06.04.2022 - 08:50 Uhr | News | Quelle: soccerdonna | von: Stephan Lerch
Lerchs Kolumne: Im Stile eines Meisters

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©Thomas Böcker/DFB
Kompromisslos, effektiv, leidenschaftlich. So würde ich das Spiel des VfL Wolfsburg gegen den FC Bayern München in drei Wörtern zusammenfassen. Gerade diese drei Begriffe führten am Ende zu einem souveränen und deutlichen 6:0-Sieg im Spitzenspiel der FLYERALARM Frauen-Bundesliga. Der VfL zeigte, wie schon in den vergangenen Spielen gegen Arsenal London oder auch im Spiel gegen Eintracht Frankfurt, dass er gerade in der ersten Halbzeit voll da ist!

In der Defensive wird vor allem in der ersten Halbzeit hoch gepresst und kompromisslos in die Zweikämpfe gegangen. In der eigenen Hälfte wird häufig gedoppelt, sodass man in vielen Situation zwei Wolfsburgerinnen gegen eine ballbesitzende Münchnerin sehen konnte. Dadurch konnte sich auch der FC Bayern nicht richtig in die Partie spielen. Zu kompakt, zu aggressiv war der VfL. Die Konsequenz: Es wurden viele lange, hohe Bälle von hinten herausgeschlagen. Doch bei einem Doppelsechser-Duo mit Oberdorf und Popp landen die meisten Bälle direkt wieder beim Gegner. Ein gutes Beispiel dafür auch der Treffer von Tabea Waßmuth nach einem langen Ball von Viggósdóttir beim Abstoß, den sie für die angeschlagene Torhüterin Leitzig ausführte. Lena Oberdorf konnte den Ball direkt zu Waßmuth an die Strafraumgrenze legen – und die dann sehenswert den dritten Treffer erzielen.

Der FC Bayern hatte sichtliche Probleme, spielerische Lösungen zu finden. Dass die Münchnerinnen eigentlich in der Lage sind, ein gutes Kombinationsspiel aufziehen zu können, hat man im Hinspiel gesehen und auch gerade ein paar Tage zuvor im Champions-League-Spiel bei Paris Saint-Germain. Doch im AOK Stadion gelang das nicht. Wenn dann noch der Kopf dazukommt, wird es ganz schwer für die Beine. So zeigte sich bei den Wolfsburgerinnen ebenfalls in diesem Spiel ihre große Stärke in der jetzigen Phase, die einhergeht mit der damit verbundenen mentalen Schwächung des Gegners: die extreme Effektivität im Offensivspiel. Bereits in der achten Minute erzielte die eigentliche Rechtsfüßerin Svenja Huth mit einem sehenswerten Linksschuss unter die Latte das 1:0. Auch bei Standardsituationen ist der VfL momentan brutal effektiv: So fielen das 2:0, 5:0 und 6:0 durch Joelle Wedemeyer, Lena Oberdorf und Ewa Pajor aus Einwurf- bzw. Eckballsituationen heraus. Das Spiel war eigentlich in der Halbzeitpause schon entschieden, wobei das Resultat noch höher hätte ausfallen müssen.

Doch der FC Bayern war auch nicht komplett chancenlos: Sowohl in der ersten Halbzeit als auch in der zweiten Halbzeit gab es gute Torchancen wie beispielsweise die Chancen von Damnjanovic per Kopf, Waßmuth aufs eigene Tor oder wieder Damnjanovic in der zweiten Halbzeit. Doch im Unterschied zu den Wölfinnen, bei denen man in der einen und anderen Situation einfach auch diesen „positiven Lauf“ sah, gingen diese Bälle nicht rein. In der zweiten Halbzeit hat auch der FC Bayern länger das Spiel „beruhigen“ können, denn dann zog sich der VfL Wolfsburg etwas mehr zurück und ging in eine abwartende und auf Konter ausgelegte Spielweise über. In dieser Phase wirkte der VfL nicht immer souverän, doch am Sonntag konnte selbst der FC Bayern daraus kein Kapital schlagen. In der Defensive agierten die Münchnerinnen oftmals wie das „Kaninchen vor der Schlange“ – viel zu passiv. Hinzu kommt noch die große Leidenschaft des VfL gerade in solchen Spielen. Wenn man in die Gesichter geschaut hat nach den Treffern, sah man ihre Entschlossenheit. Auch wie man die Zweikämpfe gewonnen und danach gefeiert hat, war bemerkenswert. Die Szene zum Beleg fand für mich kurz vor dem Halbzeitpfiff statt, als Lena Oberdorf einen gewonnenen Zweikampf gegen Lina Magull mit zwei geballten Fäusten für sich feierte. Man merkte dem Team an, wie wichtig es ihm ist, zu verteidigen. Der VfL hatte das Momentum eindrucksvoll für sich nutzen können.

Die Ausgangslage vor diesem Spiel war alles andere als gleich. Man konnte sehen, dass der FCB in diesem Spiel sicher nicht der FCB war, wie man ihn eigentlich kennt. Und dafür gibt es natürlich auch Gründe: So musste die Mannschaft von Jens Scheuer unter der Woche gegen Paris Saint-Germain in Viertelfinal-Rückspiel der Champions League über 120 Minuten gehen und verlor sehr unglücklich. Und das mit einem extremen verkleinerten Kader aufgrund zahlreicher Corona-Fälle. So etwas hinterlässt Spuren. Zudem war eine optimale Vorbereitung auf dieses Spiel für die wenigen aus der Quarantäne zurückkommenden Spielerinnen wie etwa Zadrazil oder Damnjanovic nicht möglich. Und dann fehlten noch einige wichtige Spielerinnen wie Dallmann und Lohmann. Vielen Spielerinnen konnte man ansehen, dass sie definitiv nicht ihre Bestleistung abrufen konnten. Doch genau das ist in solchen Spielen wichtig. Ein Indiz war für mich das 4:0 durch Popp, bei dem sie von Caro Simon sträflich allein gelassen wurde. So einfach darf man es dem Gegner nicht machen!

In solchen Spielen sollte man sich möglichst wenig eigene Fehler leisten und die Fehler des Gegners eiskalt ausnutzen. Auch das haben die Niedersachsen besser hinbekommen und dieses Topspiel verdient für sich entscheiden können. Und damit aus meiner Sicht auch die Meisterschaft. Und ganz nebenbei lebt in Wolfsburg der Traum vom Triple. In der Meisterschaft kann der VfL nun gut Kräfte schonen und im DFB-Pokal sowie der Champions League mit voller Kraft spielen. Für die Bayern-Frauen bleibt „nur“ noch die Chance, im DFB-Pokal den Titel zu holen. Doch dafür müssen sie Ostersonntag am starken VfL Wolfsburg vorbei. Und das wird nicht leicht, wie man im Liga-Spiel sehen konnte.

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