Türchen Nummer 2: Alex Scott – Die Frau, die Grenzen verschiebt


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Türchen Nummer 2: Alex Scott – Die Frau, die Grenzen verschiebt |  Startbeitrag 02.12.2025 - 12:24
  emiliebitsch
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Wenn Alex Scott heute in einem TV-Studio sitzt, souverän, klar und leuchtend vor Selbstbewusstsein, ist kaum vorstellbar, wie weit der Weg war, der sie dorthin geführt hat. Man sieht die Expertin, die England durch große Turniere begleitet, die Stimme, die Tausende ernst nehmen. Was man weniger sieht: das Mädchen aus dem East End, das auf Betonplätzen Fußball spielte, weil es in ihrer Welt kaum etwas anderes gab, das ihr so viel Halt versprach.

Alex Scott ist jemand, der Veränderung nicht predigt, sondern verkörpert. Sie trägt sie in ihrer Stimme, in ihrem Blick, in der Art, wie sie in jedem Satz zeigt: Ich bin hier und ich habe mir das Recht, hier zu sein, hart erkämpft.

Eine Spielerin mit Aura und Wirkung

Schon als junge Spielerin bei Arsenal war Scott mehr als nur eine Innenverteidigerin. Sie war die, die man spürte, bevor man sie sah. Eine, die das Spiel lesen konnte wie ein offenes Buch, die eine Ruhe ausstrahlte, die Mitspielerinnen anhob und Gegnerinnen verunsicherte. Aus der Arsenal-Jugend stammend, spielte sie über zwölf Jahre bei den Gunners und konnte mit ihnen wichtige Erfolge feiern. Unter Anderem wurde sie fünfmal englische Meisterin und gewann mehrfach den Pokal. Der wichtigste Erfolg ihrer Karriere war der Gewinn des UEFA Women’s Cup, dem Vorgänger der heutigen Champions League. Durch ihr Tor zum 1:0-Sieg holte sich Arsenal den Titel und zugleich das Quadruple in der Saison 2006/07. Diese Errungenschaft war mehr als ein sportlicher Moment: es wurde zu einem Symbol dafür, dass Frauenfußball große Geschichten erzählen kann. Man musste ihnen nur eine Bühne geben. Scott nutzte jede Minute auf dem Platz, um zu zeigen, wie kraftvoll der Frauenfußball sein kann, wenn man ihn nur lässt.

Auch für England lief die heute 41-Jährige dreizehn Jahre in 140 Spielen auf und reiht sich nun auf Platz 5 der meist eingesetzten Spielerinnen der “Lionesses” ein. Auch im englischen Trikot prägte sie das Spiel auf ihre Art und galt als wichtiger Rückhalt in der Abwehr. Sie wurde 2015 WM-Dritte, gewann bei der EM 2009 die Silbermedaille und führte die Mannschaft zwei Jahre lang als Kapitänin an. 2017 erklärte sie ihren Rücktritt aus der Nationalmannschaft, nachdem sie bei den vergangenen Turnieren überwiegend nur noch als Ersatzspielerin eingesetzt worden war.

Der mutige Schritt ins Studio

Doch die Bühne, die Scott später wirklich verändern sollte, war nicht der Rasen, sondern das Studio. Als sie 2018 als erste Frau bei einer Männer-Weltmeisterschaft für die BBC analysierte, saßen im Publikum Menschen, die nicht an sie glaubten. Manche zweifelten ihre Kompetenz an, andere fragten offen, warum eine Frau hier sitze.

Scott tat, was sie immer getan hatte: Sie lieferte. Klar, präzise, fachlich unerbittlich. Ohne Aufgeregtheit, aber mit der Entschlossenheit einer Frau, die weiß, dass sie sich ihren Platz verdient hat. Mit jedem Auftritt verschob sie Erwartungen, Normen und Türen, die bis dahin verschlossen waren.

Es war für sie aber nie ein leichter Weg, wie sie zugab: Sexistische Angriffe, Diskriminierungen und Morddrohungen standen auf der täglichen Agenda. Etwas, was sie aber noch mehr bestärkt hatte, weiter zu machen.

Ihre Präsenz im Fernsehen inspirierte eine neue Generation. Mädchen, die zuvor dachten, Fußball sei ein Ort, der ihnen nur bis zur Eckfahne offensteht, sahen plötzlich Möglichkeiten hinter der Kamera, im Studio, in der Analyse. Scott wurde zu einer Lichtgestalt, nicht, weil sie perfekt ist, sondern weil sie ihre Stärke aus ihrer Verletzlichkeit bezieht. Ihr Schritt brach Barrieren, denn auch Frauen konnten diese Rollen ausfüllen.

Engagement, das weiterreicht als der Fußballplatz

Die Londonerin setzt sich für ihre Werte ein, wie auch bei der Männer-WM 2022: Als offen lebende homosexuelle Frau trug sie im TV bei ihrer Moderation die “One-Love”-Armbinde, die zuvor in Katar verboten wurde. Sie wollte sich vor Ort für die Gastarbeiter:innen, die LGBTQ+- sowie Frauenrechte einsetzen und das so sichtbar wie möglich.

Mit der Alex Scott Academy gründete sie außerdem die erste reine Fußballakademie für junge Frauen in Großbritannien. Für Scott ist Fußball mehr als ein Sport: Er ist ein Schlüssel. Ein Weg raus aus engen Verhältnissen, ein Werkzeug für Bildung, Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung.

Auch ihr Engagement gegen Gewalt an Frauen und Kindern zeigt, wie ernst sie ihre Rolle als öffentliche Person nimmt. Sie selbst erfuhr häusliche Gewalt, wie sie in ihrer in 2022 erschienenen Biographie erzählte. Scott nutzt ihre Stimme dort, wo andere schweigen würden und genau das macht sie so bedeutend.

Die Kraft des Sichtbarseins

Vielleicht ist das Beeindruckendste an Alex Scott, wie ehrlich sie über ihre eigenen Verletzungen spricht. Über Zweifel, über Diskriminierung, über mentale Belastung. Sie zeigt sich nahbar in einer Welt, die oft Distanz fordert. Diese Offenheit macht sie glaubwürdig und zu einer Fürsprecherin für jene, die zu selten gehört werden.

Alex Scott ist nicht nur eine frühere Nationalspielerin, nicht nur eine Expertin, nicht nur eine Aktivistin. Sie ist eine Grenzverschieberin. Eine Frau, die Räume betritt, in denen sie früher nicht willkommen war und sie so verändert, dass andere ihnen ohne Angst folgen können. Ihre Geschichte ist keine lineare Erfolgserzählung. Sie ist eine Erinnerung daran, wie viel Mut es braucht, sichtbar zu sein. Und wie viel Kraft darin liegt, es trotzdem zu tun.
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